Handlungsempfehlungen Schul- und Kindergartenwege

Wie können Schul- und Kindergartenwege generell und insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie gesundheits- und umweltfreundlicher gestaltet werden?

Grundlage für unsere Veröffentlichung sind die Handlungsempfehlungen "Mobilität umdenken im Lockdown: Zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule" der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Niedersachsen/Bremen e.V. (AGFK) vom 18. Mai 2020. Diese haben wir an österreichische Verhältnisse angepasst und weiterentwickelt.

Schaffen Sie Raum zum Zu-Fuß-Gehen und Radfahren

Regelmäßiges Bewegen an der frischen Luft stärkt das Immunsystem. Schülerinnen und Schüler sollten daher so oft wie möglich zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen oder gebracht werden. Da es auf dem Rad besonders einfach ist, Mindestabstände einzuhalten, gilt es als Verkehrsmittel mit geringerer Infektionsgefahr. Es ermöglicht Schülerinnen und Schülern auch gemeinsam den Weg zur Schule zurückzulegen. Ist die freiwillige Radfahrprüfung bestanden, dürfen Kinder ab der 4. Klasse Volksschule allein, also unbegleitet, mit dem Fahrrad fahren. Nicht alle Radverkehrsanlagen sind jedoch ausreichend dimensioniert, um wachsende Radverkehrsströme aufzunehmen. Gleiches gilt für Gehwege. Daher haben verschiedene Städte im In- und Ausland damit begonnen, Flächen für den Fuß- und Radverkehr temporär zu vergrößern. Weltweite Beachtung und vielfache Nachahmung fand dabei die Einrichtung von temporären geschützten Radfahrstreifen, sogenannter „Pop up Radwege“ in Berlin. Deren Regelpläne „zur temporären Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen“ wurden für Wien übernommen. Die neuen Radverkehrsanlagen entstanden dabei auf den äußeren Kfz-Fahrspuren beziehungsweise auf geeigneten Kfz-Parkspuren. Die Umsetzung erfolgte mit Standardbaustellenabsicherungen. Nicht überall stehen Flächen wie in Wien und Berlin zur Verfügung, sodass andere Maßnahmen erforderlich sind, um den zunehmenden Radverkehr sicher abzuwickeln. In Frage kommen beispielsweise

  • Geschwindigkeitsbeschränkungen
  • Einbahnstraßen (ausgenommen Radfahrende), um mehr Platz für Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende zu erzielen
  • Straßen mit temporärem Fahrverbot (Schulstraßen, „Coole Straßen“ in Wien)
  • Durchlasssperren oder Vollsperrungen für den Kfz-Verkehr

Auch Gehwege sind häufig zu schmal, um die Abstandsregelungen einzuhalten. Sofern Kfz-Parkplätze vorhanden sind, können dort Halteverbote angeordnet werden. So erhalten Zu-Fuß-Gehende mehr Raum, um mit Abstand aneinander vorbeizugehen. Weiters bietet es sich an, Fußwege abseits der Autostraßen attraktiver zu gestalten. Bei Fuß- und Radwegen sollte überprüft werden, inwieweit künstliche Engstellen beseitigt beziehungsweise entschärft werden können. Insbesondere an Umlaufsperren oder sogenannten Drängelgittern besteht die Gefahr, dass Mindestabstände nicht eingehalten werden. Vielfach können Umlaufgitter durch gesicherte Sperrpfosten ausgetauscht werden.

Machen Sie das Umfeld sicherer

Kfz-Elterntaxis führen bereits seit langem zu Problemen im Umfeld von Kindergärten und Schulen. Erschwerend kommt hinzu, dass weniger Kinder aus anderen Haushalten mitgenommen werden, da in Kraftfahrzeugen Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Durch den Wegfall von Fahrgemeinschaften verschärft sich die Situation.

Schulstraßen

Um fehlerhaftes Fahren, Parken und Gefährdungen durch Kfz-Führende zu unterbinden, wurden in Wien, Salzburg und Bregenz auch unabhängig von der CoronaPandemie Schulstraßen eröffnet. Hier wird zu Schulbeginn und -ende die Straße im unmittelbaren Umfeld für den Kfz-Verkehr gesperrt.

Elternhaltestellen

Weiters wurden Elternhaltestellen abseits der Bildungsstätten eingerichtet. Diese Methoden verringern die Gefährdungen für Zu-Fuß-Gehende sowie Radfahrende und vermeiden chaotische Verkehrsverhältnisse. Gleichzeitig können die mit dem Auto gebrachten Kinder zumindest noch die letzte Etappe selbstständig und aktiv zurücklegen. Besonders in der aktuellen Situation sollte das Umfeld der Bildungseinrichtungen vom motorisierten Individualverkehr (MIV) frei gehalten werden. Die Kfz-Bring- und Abholzone soll dabei etwa 250 Meter entfernt liegen. Noch weitere Entfernungen sind empfehlenswert. Kfz-Parkplätze innerhalb der autofreien Schulzonen werden dabei gesperrt oder zu Fahrradabstellplätzen umgewidmet. Fahrradparkplätze und Bushaltestellen sollten innerhalb der autofreien Schulzonen liegen. Diese Schulzonen müssen den Anrainerinnen und Anrainern, den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern kommuniziert werden. Zusätzlich sind begleitende Kontrollen hilfreich, beziehungsweise sogar notwendig.

Fahrradparksituation verbessern

Infolge des zunehmenden Radverkehrs reichen unter Umständen die bestehenden Fahrradparkplätze nicht aus. Zudem kann es je nach Anordnung der Abstellangebote schwierig sein, beim Einparken die aktuell erforderlichen Abstände einzuhalten. Mittels mobiler Anlehnbügel kann das Fahrradparkangebot flexibel vergrößert werden. Um den Schülerinnen und Schülern auch die Nutzung von qualitativ hochwertigen Fahrrädern zu ermöglichen, sollten gegebenenfalls abgeschlossene Bereiche oder Bewachungsangebote erwogen werden.

Mico-Scooter

Micro-Scooter sind ein beliebtes Verkehrsmittel für den Schulweg. Auch dafür sollten Abstellanlagen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, damit Micro-Scooter nicht zu Stolperfallen werden.

Bonussysteme motivieren zu aktiver Mobilität

Mittels Bonussystemen und Wettbewerben wird das Radfahren und Zu-Fuß-Gehen gefördert und die Verkehrsmittelwahl positiv beeinflusst. Zusätzlich kann der Ankauf von Transporträdern oder Kinderfahrrädern von der Gemeinde finanziell unterstützt werden. Wettbewerbe werden von Gemeinden, Schulen oder Kindergärten gestartet. Kinder und Jugendliche, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Bildungseinrichtung kommen, können am Bonussystem oder am Wettbewerb teilnehmen. So erarbeiten sich Klassen mittels Punktesystemen besondere Preise und Belohnungen oder treten gegeneinander an. Um dabei Kinder und Jugendliche aus dem ländlichen Gebieten und mit größeren Entfernungen nicht zu benachteiligen, können diese beispielsweise ebenfalls Punkte sammeln. Dazu müssen sie Bring- und Abholzonen nutzen, die mehrere hundert Meter entfernt eingerichtet werden.

Klimameilen-Kampagne

Für Kindergärten und Volksschulen eignet sich die Klimameilen-Kampagne www.klimameilen.at. Hier finden Lehrpersonen vorgefertigte Sammelpässe und Aktionsbausteine.

Österreich radelt

Die Aktion „Österreich radelt“ bietet sich für Unter- und Oberstufe an: www.radelt.at. Gemeinden, Betriebe, Vereine und Schulen können sich bei "Österreich radelt" als Veranstalter anmelden. Die Teilnahme ist über die Homepage oder die App kostenfrei möglich.

Schulbusnutzung

Insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kann es eine Herausforderung darstellen, Mindestabstände einzuhalten. Hygieneregeln, wie etwa das Tragen von Mund-Nasen-Schutz etc., sind zu beachten. Optimal wäre es daher, größere und mehr Fahrzeuge einzusetzen. Dies wird aber aus vielerlei Gründen häufig nicht in ausreichendem Maße möglich sein. Zudem sollten die Türen der Busse und Bahnen zentral geöffnet werden. Alle verfügbaren Ein- und Ausstiegsbereiche sollten genutzt werden. Die Fahrgast-Charta gibt einen Überblick zu einem gelungenen Miteinander im öffentlichen Nahverkehr.

Weitere Maßnahmen

Pedibus - Eine sehr sinnvolle und begrüßenswerte Maßnahme für gesunde Bewegung im Alltag der Kinder

Beim Pedibus wird eine Gruppe von Kindern von einer oder mehreren Aufsichtsperson/en zu Fuß in den Kindergarten oder zur Schule begleitet. An vereinbarten „Haltestellen" können Kinder zu bestimmten Uhrzeiten in diese Begleitung aufgenommen werden.

Empfohlen werden maximal 5 Kinder pro Begleitperson, die feste Bezugsgruppen bilden sollen. Geschwister oder Personen aus demselben Haushalt sollten möglichst in derselben Bezugsgruppe sein. Der Pedibus wird in zahlreichen Regionen, wie etwa in Tirol, Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich, umgesetzt und bietet auch und insbesondere in Corona-Zeiten eine sinnvolle Art, den Kindergarten- beziehungsweise Schulweg zu bewältigen und die aktive Bewegung beziehungsweise das gesundheitliche Wohlbefinden zu fördern. Er bietet sich als Alternative zu Fahrgemeinschaften in einem geschlossenen und motorisierten Fahrzeug an. Zu beachten ist allerdings, dass die allgemein gültigen Verhaltensregeln im öffentlichen Raum auch beim Pedibus eingehalten werden. Da vermutlich das Einhalten der Zwei-Meter-Abstandsregel nicht garantiert werden kann, sollten Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensjahr einen Mund-Nasen-Schutz,  die erwachsene Begleitperson sowie Kinder ab 14 Jahren eine FFP2-Maske mit Mund-Nasen Abdeckung unterwegs und in Kindergarten- bzw. Schulbereichen tragen. Kinder und Aufsichtspersonen sollten speziell auf Händehygiene achten. Bei Auftreten von Beschwerden laut Verdachtsfalldefinition soll eine weitere Abklärung (siehe Webseite: https://sozialministerium.at) und keine Teilnahme am Pedibus stattfinden. Die Einrichtung einer Telefonkette, um die Aufgabe des Pedibusses an eine andere erwachsene Person zu delegieren ist empfohlen. Das Verhalten der Kinder sollte mit vernünftigem Augenmaß gelenkt werden: Händehygiene vor und nach dem Pedibus, An-der-Hand gehen sollte während der Corona-Pandemie nach Möglichkeit vermieden werden nur mit Kindern aus gleichen Haushalten, Gruppen oder Schulklassen. Kinder-Gruppen möglichst aus gleichen Haushalten, Gruppen oder Schulklassen. Die Infektionsgefahr in kleinen Gruppen im Freien ist relativ gering.

Bring- und Abholzone für Fahrrad-Elterntaxis einplanen

In unmittelbarer Nähe zur Bildungseinrichtung sollen Bring- und Abholzonen für Fahrrad-Elterntaxis eingerichtet werden. Diese sollten grundsätzlich näher als Bring- und Abholzonen für Kfz-Elterntaxis liegen.

Anforderungstaster auf Daueranforderungen stellen

Auch wenn das Coronavirus nach heutigem Stand überwiegend über Tröpfcheninfektionen verbreitet wird, so sind Schmierinfektionen nicht auszuschließen. Aus diesem Grund vermeiden viele Menschen inzwischen das Berühren von Kontaktflächen. Dies betrifft insbesondere auch Anforderungstaster an Lichtsignalanlagen. Die Stadt Sydney (Australien) setzte bereits im März 2020 zahlreiche Bedarfsanforderungen außer Kraft, so dass nun automatisch eine Freigabe erfolgt. Die Stadt Dresden folgte diesem Beispiel und stellte 480 Lichtsignalanlagen entsprechend um. Im Umfeld von Bildungseinrichtungen sollten ebenfalls Anforderungsanlagen so umgestellt werden, dass in jedem Umlauf der Fuß- und Radverkehr eine Freigabe erhält. Hinweise an der Signalanlage informieren die Nutzerinnen und Nutzer. Kann die Lichtsignalanlage nicht auf Daueranforderung umgestellt werden, so ist es sinnvoll, darauf hinzuweisen, den Anforderungstaster per Ellbogen zu betätigen.

Kinder und Jugendliche im Umweltverbund stärken

Unabhängig von der aktuellen Situation sollen möglichst viele Kinder und Jugendliche ihre Schul-, Kindergarten- oder Freizeitwege zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Denn dies fördert die Bewegung, ist gut für das Klima und wichtig für die Gesundheit. Dazu sind sichere und komfortable Wege und Routen für Zufußgehende und Radfahrende sowie gute Angebote im öffentlichen Verkehr notwendig.

Herzlichen Dank für die Mitarbeit an: Veronika Bayer-Balint (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu-mentenschutz), DI Martin Eder (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), Mag.a Dr.in Lisa Gugglberger (Gesundheit Österreich GmbH), Robert Lender (Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend), Dr.in Gabriele Matzinger (Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend), DI Robert Thaler (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), DIin Petra Völkl (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), Adelheid Weber, MSC (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), DIin Petra Winkler (Gesundheit Österreich GmbH)

Veröffentlicht am 20.04.2022

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