Die St. Pöltner Rechtsanwältin Michaela Krömer zog bereits 2021 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und vertrat von der Klimakrise geschädigte Personen. Aktuell hat sie mit Mex. M den Weg zum EGMR angetreten. Er ist durch seine Erkrankung - Multiple Sklerose, die sich unter Hitzeeinwirkung verschlechtert - besonders von den steigenden Temperaturen durch die Klimakrise betroffen.
War der Fall der Klimasenior:innen für Sie überraschend?
Michaela Krömer: Es war für mich nicht überraschend, dass ein internationales Höchstgericht für Menschenrechte feststellt, dass die Klimakrise Grundrechte verletzt. Überraschend für mich war, dass man der kollektiven Vertretung der Einzelpersonen die Möglichkeit eröffnet hat, diese Grundrechtsverletzungen erfolgreich einzuklagen und derzeit noch nicht den Einzelpersonen selbst.
Ist das Urteil eine Art juristischer Kipp-Punkt?
Krömer: Es hat jedenfalls das Potential dazu. Es ist das erste positive Klimaurteil eines internationalen Höchstgerichts und die Tendenz dürfte in diese Richtung gehen. Das Eintreten von Kipppunkten ist nur bekanntlich schwer punktgenau vorherzusagen.
Inwiefern denken Sie, dass Klimaklagen nicht nur rechtliche, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen haben könnten?
Krömer: Recht ist nichts anderes als die Spielregeln der Gesellschaft, die in Interpretation und Anwendung unser Leben prägen. Die Entscheidung, dass Klimaschutz ein gewisses Grundrecht ist, bedeutet eine Pflicht der Staaten eine Klimapolitik im Einklang mit dem Pariser Abkommen umzusetzen und das hat eine Transformation zur Folge, die wir alle merken müssen.
Welche Folgen hat dieses Urteil auf den von Ihnen betreuten juristischen Fall Mex M.?
Krömer: Positive. Der Fall dürfte die in der Entscheidung festgelegten Kriterien erfüllen. Mex hat gute Chancen, die erste Einzelperson zu sein, die erfolgreich mehr Klimaschutz einfordert. Angesichts der Tatsache, dass er durch die Folgen der Krise in den Rollstuhl gezwungen wird, ist sein Fall auch aus Gründen der Klimagerechtigkeit von Bedeutung.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Medien bei der Berichterstattung über Klimaklagen?
Krömer: Eine große. In Zeiten von Fakenews und einer permanent abgelenkten Gesellschaft, ist eine objektive Berichterstattung entscheidend, um unseren Blick aufs Wesentliche zu lenken und damit zu ermöglichen, dass wir diese Krise bewältigen. Fundiertes Wissen darüber, welche Regeln gelten und welche derzeit, zB durch die Untätigkeit der Staaten verletzt werden, gehört dazu.