Auch ein paar Grad mehr machen einen großen Unterschied

Geht es um den Klimawandel, diskutieren wir oft über scheinbar kleine Temperaturunterschiede von wenigen Grad. In unserer Serie „Klima-Mythen auf der Spur“ erklärt uns Jungjournalistin Laura Hybner, warum Aussagen wie „Ein paar Grad wärmer machen doch keinen großen Unterschied“ falsch sind.

Aussagen wie diese haben wir bestimmt alle schon einmal gehört, vor allem wenn das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Übereinkommens zur Sprache kommt. Auch wenn einige es sich kaum vorstellen können, können schon minimale Grad-Veränderungen große Auswirkungen haben. Stefan Rahmstorf, Klima- und Meeresforscher am Potsdam-Institut für Klimaforschung sagt dazu: „Jedes Zehntel Grad mehr spielt eine Rolle.“

Um zu verstehen, warum das so ist, muss man zuerst Wetter und Klima voneinander unterscheiden. Während das Wetter einen aktuellen, kurzfristigen und lokal begrenzten Zustand der Atmosphäre beschreibt, versteht man beim Klima die Zusammenfassung dieser einzelnen Wettererscheinungen über einen längeren Zeitraum. Obwohl ein paar Grad mehr beim Wetter subjektiv gesehen vielleicht nicht so stark auffallen würden, kann die langfristige Erhitzung des Klimas drastische Auswirkungen haben.
 

Kleiner Temperaturunterschied, große Auswirkung

Sieht man sich die Auswirkungs-Szenarien bei 2 Grad Erd-Erhitzung und 1,5 Grad Erd-Erhitzung an, lassen sich deutliche Unterschiede erkennen:

  • Bei zwei Grad Erd-Erhitzung würden doppelt so viele Pflanzen und Wirbeltiere vom Artensterben betroffen sein wie bei einem Anstieg um 1,5 Grad.
  • In Folge der Erhitzung um 2 Grad würden in den nächsten 30 Jahren alle Korallen-Riffe zerstört werden. Bei einer geringeren Erd-Erhitzung könnten Teile dieses wichtigen Ökosystems erhalten bleiben.
  • In Österreich würde es zwischen 60 und 80 Hitzetage geben anstatt 40.
  • Eine Erhitzung um 2 Grad würde bedeuten, dass im Vergleich 60 Millionen Menschen zusätzlich von extremer Dürre betroffen sind. Bereits bei 1,5 Grad Erhitzung sind 132,5 Millionen Menschen betroffen.
  • Bei 2 Grad Erhitzung würde es alle zehn Jahre einen eisfreien Sommer in der Arktis geben, bei 1,5 Grad würde dieser nur alle hundert Jahre eintreten.

Übrigens: zwei Grad Erd-Erhitzung im globalen Mittel würden für die meisten Landgebiete einen Temperaturanstieg um drei bis vier Grad bedeuten. Der Grund: Ozeane erwärmen sich nicht so schnell wie Landgebiete. Die Meere fangen einen Teil der Erhitzung ab. In Österreich ist der maritime Einfluss, der sich dämpfend auf die Erhitzung auswirkt, kaum vorhanden. Das hat zur Folge, dass die Temperaturen in Österreich schneller ansteigen als im globalen Mittel. Vergleicht man den Temperaturanstieg in Österreich mit dem globalen Mittel, erkennt man: In der Alpenrepublik steigen die Temperaturen doppelt so schnell.
 

Jedes Zehntelgrad mehr kann Kippunkte auslösen

Stark vereinfacht kann man sagen: Je höher die Erhitzung ist, desto drastischer sind die Auswirkungen. Es handelt sich dabei nicht nur um direkte Auswirkungen, wie die Zerstörung von fragilen Lebensräumen und das Überschreiten von Klima-Kipppunkten, es könnten auch weitreichende Worst-Case-Szenarien eintreten. Ressourcenknappheit und extreme Wetterereignisse könnten weitreichende geopolitische Konflikte auslösen. Bestehende bewaffnete Konflikte könnten sich verschärfen und neue Konfliktherde entstehen. Länder, die aktuell von bewaffneten Konflikten betroffen sind, sind unverhältnismäßig stark von den Folgen der Klimakrise betroffen.

Gerade deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie schwerwiegend die Auswirkungen von ein paar Grad mehr sind. Schon ein geringer Temperaturanstieg von einem halben Grad kann drastische Folgen haben. Wenn es darum geht, unser vulnerables Klimasystem zu schützen und die weitreichenden Folgen zu minimieren, müssen wir die Erderhitzung so weit wie möglich eindämmen. Dabei drängt die Zeit, umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, denn derzeit beträgt die Erderhitzung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bereits 1,1 Grad.

 

Laura Hybner (Klimareporter.in)

 

Dieser Text ist Teil der Reihe "Klimamythen auf der Spur" in der wir Artikel der Klimajournalismus-Redaktion Klimareporter.in veröffentlichen.

Noch immer geistern im Diskurs um den Klimaschutz viele Mythen und Falschinformationen herum. Die jungen Journalist:innen von Klimareporter.in gehen der Sache auf den Grund. Sie finden heraus, was an den Argumenten dran ist und liefern dir die wichtigsten Fakten, um Klimamythen zu entkräften. Schreib uns gerne, welchen Mythos die Klimareporter:innen als nächstes aufklären sollen klimadialog@energyagency.at

Veröffentlicht am 29.03.2024

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