Objekt des Monats 10/2019: Wohnhaussanierung und Dachgeschoß-Ausbau, Mariahilfer Straße 182, Wien

Das Gründerzeitgebäude an der Mariahilfer Straße wurde nach einer Gasexplosion wieder aufgebaut und nachhaltig saniert. Das Projekt wurde mit dem Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Mit 944 Punkte erreicht es klimaaktiv GOLD Standard.

Beim Anblick der Bilder, die nach der verheerenden Gasexplosion im April 2014 durch die Medien gingen, sind wohl viele davon ausgegangen, dass hier ein Stück des historischen Stadtbildes verloren zu gehen droht. Doch es kam anders und vier Jahre später erstrahlte das Haus in neuem Glanz. Der Wille der Eigentümerinnen, das um 1872 errichtete Zinshaus wiederaufzubauen, wurde von der Stadt Wien moralisch und monetär unterstützt.

Entlang der Denglergasse entstand die erste gegliederte Aerogelputz-Fassade Österreichs. Bisher nur an Innenwänden und glatten Mauern erprobt, bot sich hier die Chance, den über außerordentlich gute Wärmedämmeigenschaften verfügenden Zuschlagstoff an einer gegliederten Fassade einzusetzen. Mit nur fünf Zentimetern Aerogelputz kann die Wirkung einer 8 Zentimeter starken, herkömmlichen Dämmplatte erreicht werden. An der Mariahilfer Straße war die Fassade viel stärker in Mitleidenschaft gezogen. Daher rückte man dort mit der neuaufgebauten Außenwand ein Stück nach innen, um eine 20 cm starke Hanfdämmung anbringen zu können. Es wurden ausschließlich PVC-freie Baustoffe verwendet.

Zerstörte Fassadendekorelemente wurden in Zusammenarbeit mit einem Restaurator aus Schaumglas nachgegossen, da eine Wiederherstellung aus dem originalen Material wirtschaftlich und technisch nicht umsetzbar war. Die auberginefarbenen Textilbahnen des ausrollbaren Sonnenschutzes bringen Akzente der Bewegung in das Stadtbild und erhöhen den Wohnkomfort an heißen Tagen deutlich.

Der neu gestaltete Hauseingang in der Denglergasse öffnet sich zum Innenhof hin über ein begrüntes Belichtungs-Atrium. Der Innenhof wurde ebenerdig überbaut. Das einsturzgefährdete Stiegenhaus wurde neu organisiert, unter anderem wurde Platz für einen Fahrradabstellraum und eine Garage geschaffen. Die sieben Pflichtstellplätze sind mit einer Ladestation für Elektroautos ausgestattet. Der teilweise Abbruch der Seitentrakte und das Anheben des Hofniveaus verbesserten die gesamte hofseitige Belichtungssituation.

Die 20 sanierten Altbauwohnungen wurden im Grundriss neu organisiert und mit einer kontrollierten Wohnraumlüftung ausgestattet. Ein Drittel davon wurde um hochwertige Freiräume wie Dachgärten, Loggien und Balkone bereichert. Sechs Wohnungen konnten dank der mit dem wohnfonds_wien erarbeiteten Fördermodalitäten der Stadt zur Vermietung übergeben werden. Sieben zusätzliche Maisonetten fanden im neuen Dachgeschoß Platz. Alle Wohnungen entsprechen dem Energiestandard eines Passivhauses.

Von einer dezentralen Gasheizung mit Thermen erfolgte eine Umstellung auf ein zentrales System, in das eine Solarthermieanlage eingegliedert ist. Die Module der Solaranlage sind auf der flach geneigten, innenhofseitigen Dachfläche aufgestellt. Sobald in Zukunft eine Fernwärmeleitung am Haus vorbeiführt, ist für einen Anschluss bereits alles vorbereitet.

Die Neugestaltung der Erdgeschoßzone wertet die drei Geschäftslokale auf und gewährleistet für die Zukunft eine nachhaltige Vermietung.

Unter der Regie von Trimmel Wall Architekten arbeiteten viele Kräfte bei diesem Demonstrativbauvorhaben ambitioniert zusammen. Architekt und Geschäftsführer Günther Trimmel kann sich vorstellen, dass das Vorzeigeprojekt Nachahmer findet: „Das Projekt zeigt, dass mit innovativen und nachhaltigen Ideen Gründerzeithäuser hochwertig und gleichzeitig wirtschaftlich sanierbar sind. Gerade in Wien wird der Erhalt solcher Häuser ja immer wieder intensiv diskutiert. Vielleicht kann unser Beitrag hier auch Vorbildfunktion für zukünftige Projekte haben.“

Bauphysiker Helmut Schöberl (Schöberl & Pöll GmbH): „Die Sanierung in der Mariahilfer Straße zeigt, dass Energieeffizienz und Altbau keine Gegensätze sein müssen. Im Gegenteil, Architektur und modernste Technologie können mit wenig Mühe vereint werden.“

Nach vier Jahren der Planung und Bauphase wird das Gebäude nun von sechs zurückgezogenen, vielen neuen Mietern und zwei neuen Geschäftslokal-Mietern wieder bewohnt und mit Leben erfüllt.

Projektbeteiligte

  • Bauherrschaft: Dr.in Doris Krappinger, DIin Sigrid Hildebrandt
  • Architektur: Trimmel Wall Architekten ZTGmbH
  • Fachplanung: Schöberl & Pöll GmbH (Bauphysik), BPS Engineering (Haustechnik), Dr. Karlheinz Hollinsky & Partner ZT GmbH (Statik)
  • Forschungspartner: Immobilien Verwaltung und Vermittlung Brun, e7 energy innovation & engineering
  • Plausibilitätsprüfung: Pulswerk GmbH
Veröffentlicht am 10.10.2019