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Fakten sind gut und wichtig. Noch wichtiger ist es aber, dass wir unsere Botschaften mit Emotionen verbinden und an Werte, Erfahrungen und Erwartungen unserer Zielgruppe anknüpfen.

Werte ansprechen, Resonanz schaffen – wie wertebasierte Klimakommunikation gelingt

Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn Menschen das Gefühl haben, verstanden zu werden. Dafür braucht es Beziehung und Dialog statt bloßer Wissensvermittlung. Gemeinsame Werte sind die Brücken, die Verständnis und Vertrauen ermöglichen. Wer Klimaschutz glaubwürdig vermitteln möchte, sollte deshalb an die Werte, die die Menschen antreiben, anknüpfen.

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Fakten sind gut und wichtig. Noch wichtiger ist es aber, dass wir unsere Botschaften mit Emotionen verbinden und an Werte, Erfahrungen und Erwartungen unserer Zielgruppe anknüpfen.

Was sind Werte?

Werte sind grundlegende Überzeugungen darüber, was uns im Leben wichtig ist. Sie sind eng mit unserer Identität verknüpft und wirken wie ein innerer Kompass: Sie geben uns Orientierung bei Entscheidungen und beeinflussen, wie wir die Welt, uns Menschen, und unsere Rolle in der Gesellschaft wahrnehmen. Beispiele für Werte sind Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit, Gemeinschaft oder Verantwortung. Werte wirken oft unbewusst, prägen aber maßgeblich unser Denken und Handeln.

Wir sehen uns gerne als eigenständige Individuen mit persönlichen Überzeugungen. Doch unsere Werte werden auch stark durch die Gruppen geprägt, zu denen wir gehören. Geteilte Werte stiften Zugehörigkeit – sie verbinden uns mit Menschen, die ähnlich denken und handeln.

Warum sind Werte in der Klimakommunikation wichtig?

Werte prägen auch unsere Haltung zur Klimakrise: Sie beeinflussen, wie wir Risiken einschätzen, welche Bedeutung wir dem Klimaschutz beimessen und welche Maßnahmen wir unterstützen. Der US-amerikanische Wissenschaftler Dan Kahan formulierte es treffend:

„Was die Menschen über den Klimawandel glauben, zeigt nicht, was sie wissen, sondern wer sie sind. ”

Genau deshalb sind Werte ein zentraler Hebel für die Klimakommunikation. Wenn wir zeigen, wie Klimaschutz mit den Werten der Zielgruppe im Einklang steht, wird das Thema persönlich relevant. Über geteilte Werte können wir Brücken bauen und Resonanz erzeugen – und so Menschen zu einer Bewegung verbinden, die von gemeinsamen Überzeugungen getragen ist.

Umgekehrt bedeutet das: Stehen Informationen im Widerspruch zu den eigenen Werten, sind wir eher geneigt, die Informationen anzuzweifeln, als unsere Werte infrage zu stellen - so der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes. Und ohne Bezug zu den Werten der Zielgruppe bleibt Klimaschutz oft abstrakt und irrelevant. Reine Zahlen, Fakten und wissenschaftliche Argumente genügen selten, um bei anderen Menschen auf ein offenes Ohr zu stoßen. Werden zudem Werte verletzt, kann dies dazu führen, dass Gespräche entgleisen.

„Wenn es einen Konflikt zwischen den Fakten und den Wertvorstellungen eines Menschen gibt, werden die Fakten verlieren. ”

An welche Werte können wir anknüpfen?

Eines der bekanntesten Wertemodelle stammt vom Psychologen Shalom Schwartz. Er entwickelte eine Art „Wertelandkarte“ mit universellen Wertetypen, die alle Menschen mehr oder weniger teilen. Werte, die auf dieser Landkarte nahe beieinanderliegen, ergänzen sich, während weit auseinanderliegende Werte oft im Widerspruch stehen. So legt jemand, dem das Wohlergehen anderer besonders wichtig ist, meist weniger Wert auf persönlichen Status oder finanziellen Erfolg – und umgekehrt.

Alle diese Wertetypen lassen sich auf die eine oder andere Weise mit Klimaschutz verbinden. Zu ihnen zählen:

Menschen, denen Selbstbestimmung wichtig ist, streben nach Freiheit und Unabhängigkeit. Es ist ihnen wichtig, eigene Entscheidungen treffen und sich selbst Ziele stecken zu können. Sie sind oft kreativ und neugierig.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. An Gestaltungswillen appellieren: Die Klimakrise bringt große Veränderungen mit sich. Wir haben die Wahl, ob wir diese aktiv mitgestalten oder uns von ihnen treiben lassen. 

  2. Unabhängigkeit von Energieimporten betonen: Allein im vergangenen Jahr gab Österreich etwa € 10 Milliarden für Importe von Erdöl, Kohle und Erdgas aus (Quelle: Außenhandelsbilanz, Statistik Austria). Der Ausbau von Sonnen- und Windenergie macht uns unabhängiger und steigert die lokale Wertschöpfung.

  3. Klimaschutz als bewusste Entscheidung darstellen: Ob wir Klimaschutz zur Priorität machen oder nicht – beides ist eine aktive und bewusste Entscheidung. Wer nichts unternimmt, nimmt trotz besseren Wissens die Zerstörung unserer Lebensgrundlage in Kauf.

 

Menschen, bei denen dieser Wert stark ausgeprägt ist, streben nach Abwechslung, Abenteuer und neuen Erfahrungen.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Innovation hervorheben: Die Energiewende bringt Technologien hervor, die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar waren: immer leistungsstärkere und günstigere Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, intelligente Stromnetze oder die Nutzung von Abwärme. Klimaschutz steht damit für Aufbruch, Erfindergeist und bahnbrechende Neuerungen.

  2. Mut machen, Routinen zu durchbrechen: Eine Woche lang mehr Pflanzen essen oder das Auto stehen lassen? Wer Neues ausprobiert, kann überraschend positive Erfahrungen machen und exotische Geschmäcker ausprobieren oder eine neue Perspektive auf die eigene Stadt gewinnen.

  3. Herausforderungen spielerisch gestalten: Kleine Wettbewerbe oder Selbsttests („Schaffen Sie es, eine Woche lang autofrei zu leben?“) machen Klimaschutz zu einer spannenden Herausforderung, die motiviert, besser als die anderen zu sein.

Dieser Wertetyp orientiert sich an Freude, Vergnügen, Genuss und ein angenehmes Leben. Klimaschutz wird oft als Verzicht dargestellt, lässt sich aber sehr gut mit Genuss verbinden.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Lebensqualität in den Mittelpunkt stellen: Eine klimafreundliche Gesellschaft bedeutet mehr als nur weniger Emissionen – sie steigert unsere Lebensqualität. Saubere Luft, grüne Parks, großzügige Rad- und Fußwege, weniger Lärm und Staus und attraktive öffentliche Plätze laden dazu ein, das Leben zu genießen.

  2. Klimaschutz sinnlich erfahrbar machen: Klimafreundliches Handeln spricht alle unsere Sinne an – die frische Brise beim Radfahren, das behagliche Wohnklima in gut gedämmten Häusern oder der volle Geschmack von knackigem Gemüse. Solche Eindrücke zeigen unmittelbar, wie gut sich Klimaschutz anfühlen kann – und genau das sollten wir in unserer Kommunikation vermitteln.

Hier geht es um Ehrgeiz, Erfolg, Kompetenz und das Erreichen von Zielen.

Tipps für die Klimakommunikation

Wettbewerbsvorteile betonen: Der weltweite Markt für klimafreundliche Technologien entwickelt sich rasant. Nur wer Chancen erkennt und gezielt investiert, sichert sich nachhaltig Marktanteile in wichtigen Zukunftstechnologien.

Individuelle Kompetenz hervorheben: Die Ökologisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Gelegenheit, Wissen, Fähigkeiten und Durchhaltevermögen zu zeigen – sei es beim Entwickeln innovativer Lösungen, beim Umsetzen von Projekten oder beim Erreichen ehrgeiziger Ziele.

Fortschritte messen: Wie hat sich die Klimabilanz im letzten Jahr verbessert? Wie viel Energie und wie viele Tonnen CO₂ wurden durch Klimaschutzmaßnahmen eingespart? Wer Leistung schätzt, will konkrete Ergebnisse sehen.

Menschen, denen Macht wichtig ist, streben nach Status, Kontrolle, Einfluss und soziale Anerkennung.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Status und Prestige betonen: Erfolgreiche Klimaprojekte steigern das Image. Wer beim Klimaschutz vorangeht und in Zukunftstechnologien investiert, zeigt Führungsstärke und Weitsicht.

  2. Wettbewerbscharakter nutzen: Klimaschutz kann als Wettbewerb inszeniert werden – etwa durch Rankings, Auszeichnungen oder Benchmarks, die zeigen, wer hier führt.

Dieser Wertetyp ist geprägt von Stabilität, Ordnung, Planbarkeit und Schutz des eigenen Lebens und der Gemeinschaft.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Klimaschutz als Risikovorsorge positionieren: Die Klimakrise bringt viele Risiken mit sich – wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche und auch Sicherheitsrisiken. Klimaschutz mindert diese Risiken und macht uns widerstandsfähiger.

  2. Planbarkeit und Stabilität betonen: Erneuerbare Energien sorgen für Versorgungssicherheit und schützen vor Preis- und Abhängigkeitsschwankungen. Unternehmen benötigen Planungssicherheit, um langfristig investieren zu können.

Menschen, die Wert auf Konformität legen, sind pflichtbewusst. Sie möchten Regeln einhalten, soziale Erwartungen erfüllen und Konflikte vermeiden.

Tipps für die Klimakommunikation

  • Vereinbarungen und Regeln ansprechen: Der Klimaschutz ist Teil verbindlicher Abkommen und Gesetze, wie unter anderem dem internationalen Pariser Klimaschutz-Abkommen, dem Europäischen Klimagesetz oder dem österreichischen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Auch lokale Energiepläne und Mobilitätskonzepte können wirkungsvolle Anhaltspunkte bieten.

Hier geht es um Respekt gegenüber dem Bewährten.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. An Bestehendem anknüpfen: Früher war gelebte Nachhaltigkeit ein selbstverständlicher Teil des Alltags. Die Menschen sparten Energie, ernährten sich regional, aßen Fleisch vor allem an Festtagen und reparierten ihre Gegenstände. Klimaschutz bedeutet also keinen Bruch mit Traditionen, sondern die Fortführung bewährter Lebensweisen.

  2. Bestehendes bewahren: Klimaschutz ist notwendig, um die Schönheit und Kultur der Heimat für kommende Generationen zu erhalten.

 

Dieser Wertetyp beschreibt die Sorge für das Wohlbefinden von Menschen, die uns nahestehen.

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Fürsorge betonen: Klimaschutz bedeutet, Verantwortung für die Familie, die Nachbarschaft und Kolleg:innen zu übernehmen und die Menschen in unserem direkten Umfeld zu schützen.
  2. Solidarität sichtbar machen: Klimaschutz gelingt leichter, wenn er als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden wird. Nachbarschaftsinitiativen für Energie- oder Mobilitätsprojekte, wie etwa Erneuerbare Energiegemeinschaften, Fahrgemeinschaften oder Tauschbörsen, zeigen, dass wir diese Herausforderung nicht allein bewältigen müssen.

 

Menschen mit universalistischen Werten sorgen sich um soziale Gerechtigkeit und das Wohl aller Menschen und der Natur. 

Tipps für die Klimakommunikation

  1. Gerechtigkeit betonen: Die Klimakrise betrifft diejenigen am stärksten, die sie am wenigsten verursacht haben. Klimaschutz schafft Gerechtigkeit zwischen Generationen, Regionen und sozialen Gruppen. 

  2. Naturverbundenheit ansprechen: Klimaschutz ist notwendig, um die Artenvielfalt, die Landschaften und die Ökosysteme zu erhalten. 

Wie gelingt wertebasierte Klimakommunikation?

1. Zuhören

Menschen unterscheiden sich in ihren Werten, daher ist es entscheidend, uns auf unsere Zielgruppen einzulassen und sie kennenzulernen: Wie stellen sich die Menschen in meiner Gemeinde, in meinem Unternehmen oder in meiner Organisation ein gutes Leben vor? Was bewegt sie, und was ist ihnen wichtig?

2. Werte nicht verändern wollen

Werte sind in der Regel stabil und tief verankert. Es ist daher wenig zielführend, unseren Zielgruppen andere Werte „verkaufen“ zu wollen. Stattdessen sollten wir deutlich machen, dass wir ihre bestehenden Werte anerkennen und diese sinnvoll mit dem Thema Klimaschutz verknüpfen.

3. Werte unserer Zielgruppen ins Zentrum der Botschaft stellen

Welche Werte wir ansprechen, hängt davon ab, wen wir erreichen wollen. Je nach Zielgruppe kann der Ausbau von Radwegen beispielsweise als Beitrag zu mehr Lebensqualität, mehr Sicherheit, besserer Gesundheit oder geringeren Kosten kommuniziert werden. Nutzen Sie das Wertemodell von Shalom Schwartz als Werkzeug, um Ihre nächste Kampagne, Präsentation oder Moderation gezielt auf die Werte Ihrer Zielgruppe auszurichten.

4. Extrinsische und intrinsische Werte nicht koppeln

Intrinsische Werte wie Fürsorge oder Gerechtigkeit motivieren uns aus innerer Überzeugung heraus, während extrinsische Werte wie Status und finanzielle Vorteile auf eine äußere Belohnung abzielen. Auf der Wertelandkarte liegen diese Punkte weit auseinander, stehen daher in Konflikt miteinander und können sich gegenseitig abschwächen. In der Klimakommunikation sollten sie daher nicht vermischt werden. Botschaften wie „Etwas Gutes tun und dabei Geld sparen“ sprechen gegensätzliche Motivationssysteme an und können widersprüchliche Gefühle auslösen.

5. Gemeinsame Werte betonen

Trotz aller Unterschiede gibt es Werte, die viele Menschen teilen. So kann beispielsweise der Wunsch nach einer lebenswerten Zukunft für die Kinder den Dialog ermöglichen. Überlegen Sie: Welche Werte verbindet Ihre Zielgruppe mit Ihnen und wie können Sie diese in Ihrer nächsten Botschaft sichtbar machen?

Werte sind das Herzstück wirksamer Klimakommunikation. Sie verbinden Fakten mit Emotionen, individuelle Anliegen mit gesellschaftlichen Zielen. Wer Klimaschutz glaubwürdig und wirksam vermitteln will, sollte nicht nur auf Fakten setzen, sondern auf die Werte, die Menschen bewegen.