© PaulGrecaud
EU flags in front of European Commission building in Brussels

"Klimamythen auf der Spur"

"Wir tun doch schon genug?" - Warum reiche Länder mehr für den Klimaschutz leisten müssen.

Wie kann Klimaschutz gerecht aufgeteilt werden? Laura Hybner zeigt auf, warum die Länder des globalen Nordens – darunter auch Österreich – eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz tragen.

© PaulGrecaud
EU flags in front of European Commission building in Brussels

„Wir tun schon so viel für den Klimaschutz – jetzt sollen mal andere was machen.“ Dieser Mythos wird in vielen Ländern gerne als Ausrede für mangelnde Klimaschutzbemühungen verwendet. Doch was steckt dahinter? Wie lassen sich die Bemühungen einzelner Länder überhaupt miteinander vergleichen? Und wie kann Klimaschutz gerecht zwischen Ländern aufgeteilt werden? 

In unserer Serie „Klima-Mythen auf der Spur“ räumen wir mit gängigen Mythen rund ums Klima auf. Dieses Mal erklärt Laura Hybner, warum Länder des globalen Nordens, darunter auch Österreich, besonders viel für Klimaschutz tun sollten. 

Das Pariser Klimaziel: gemeinsam, mit unterschiedlichen Bedingungen

Im Pariser Abkommen haben sich die Länder der Welt darauf geeinigt, die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad” zu begrenzen – gemessen an der Temperatur vor dem großflächigen Einsatz von Kohle, Öl und Gas. Das CO2-Budget, das uns dafür noch zur Verfügung steht, schrumpft rasant. Um zu verhindern, dass die Erderwärmung außer Kontrolle gerät, müssen die globalen Emissionen so schnell wie möglich auf null reduziert werden.

Was das für jedes einzelne Land bedeutet, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Wohlstand, Einwohnerzahl, Infrastruktur, Ressourcen und Energiequellen spielen dabei eine Rolle. Klar ist: Unterschiedliche Länder haben ganz unterschiedliche Ausgangspositionen. 

Grundsätzlich verfügen die Länder des globalen Nordens über mehr Ressourcen, um in Klimaschutz und Klimawandelanpassung zu investieren. Sie können die Auswirkungen der Klimakrise, wie beispielsweise Ernteausfälle und Schäden nach Naturkatastrophen, besser kompensieren als ärmere Länder. Zudem tragen sie eine historische Verantwortung, da sie durch ihre frühe Industrialisierung die Hauptverursacher der globalen Emissionen und somit auch der aktuellen Erderhitzung sind.

Die Länder des Globalen Südens haben hingegen selbst kaum zur Klimakrise beigetragen, sind aber am stärksten von ihren Folgen wie Meeresspiegelanstieg, Überschwemmungen, Stürmen und Dürren betroffen. So droht Bangladesch ein Fünftel seiner Fläche zu verlieren, wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt. Die Philippinen wiederum werden immer häufiger von zerstörerischen Taifunen heimgesucht, die das Leben in den Küstenregionen gefährden. Am Horn von Afrika und in der Sahel-Zone führen Dürren zu Ernteausfällen und Hungersnöten.

Globale Ungerechtigkeit: Wer leidet? Wer zahlt?

Die Klimakrise verschärft also bestehende Ungerechtigkeiten. Deshalb die zentrale Frage: Wie kann Klimaschutz gerecht organisiert werden? Es gibt verschiedene Prinzipien, die bei der fairen Verteilung der Klimaschutzverantwortung helfen können.

Vier Prinzipien für globale Klimagerechtigkeit

  • Gleiche-Pro-Kopf-Rechte-Prinzip: Das verbleibende globale CO₂-Budget wird auf alle Länder gemäß ihrer Bevölkerungszahl verteilt. Länder mit höherem Pro-Kopf-Ausstoß, wie Österreich, brauchen ihr Budget schneller auf. Österreich hätte seines bereits 2030 ausgeschöpft, Indien erst 2078.
  • Verursacherprinzip: Hier zählt die historische Verantwortung. Wer seit Beginn der Industrialisierung die meisten Emissionen verursacht hat, muss heute auch am meisten zur Lösung beitragen. Die USA und die EU stehen dabei ganz oben. Sie müssten auch für Anpassungsmaßnahmen und klimawandelbedingte Schäden im globalen Süden mitzahlen.
  • Fähigkeitsansatz: Dieser Ansatz berücksichtigt die wirtschaftlichen und technologischen Ressourcen eines Landes, die zur Reduzierung der Treibhausgase eingesetzt werden können. Reiche Länder mit starker Infrastruktur und Technologien müssen mehr leisten als solche mit geringen Ressourcen.
  • Bedarfsansatz: Nicht alle Länder sind auf dem gleichen Entwicklungsstand. Der Bedarfsansatz erkennt an, dass manche Länder noch Emissionen benötigen, um ein gewisses Wohlstandsniveau aufzubauen, beispielsweise für die Stromversorgung, das Bildungs- oder Gesundheitswesen.

In der Praxis dominieren verschiedene Mischansätze, die sich vage an historischer Verantwortung, Fähigkeiten und nationalen Selbstverpflichtungen orientieren, jedoch ohne eine einheitliche oder verbindliche Grundlage. Das Pariser Abkommen spricht zwar von Gerechtigkeit und differenzierten Verantwortlichkeiten, aber die Ausgestaltung liegt weitgehend bei den Ländern selbst.

Klimaschutz vergleichbar machen

Der Climate Change Performance Index (CCPI) ist ein Instrument, das die Klimaschutzbemühungen einzelner Länder anhand eines standardisierten Rahmens vergleicht und so Transparenz für nationale und internationale Klimapolitik schafft. Basierend auf vier Hauptkategorien (Treibhausgasemissionen, erneuerbare Energien, Energieverbrauch und Klimapolitik) zeigt der Index durch die Analyse von qualitativen und quantitativen Daten, wo Länder beim Klimaschutz aktuell stehen. Insgesamt werden 63 Länder bewertet, die für 90 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Ebenso ermöglicht der Climate Change Performance Index eine Vergleichswertung der EU-Staaten. 

Österreich liegt derzeit mit Platz 32 von 63 nur im Mittelfeld. Da die ersten drei Plätze symbolisch freigehalten werden – weil kein Land ausreichende Maßnahmen setzt –, rangiert Österreich effektiv auf Platz 29. Damit schneiden 27 Länder in Sachen Klimabemühungen besser ab. 

Keine Ausreden mehr!

Die Behauptung, dass unser Land „schon genug“ für den Klimaschutz tue, entspricht also nicht der Realität. Dabei werden globale Zusammenhänge und Faktoren wie die historische Verantwortung ignoriert. Klimagerechtigkeit bedeutet nicht, dass alle gleich viel beitragen, sondern dass die Beiträge gerecht verteilt werden – zum Beispiel basierend auf Verantwortung, Möglichkeiten und Bedürfnissen. Länder wie Österreich tun also „nicht zu viel“, sondern können eine wichtige Vorbildrolle übernehmen und andere Länder dazu bewegen, ebenfalls zu handeln.