Objekt des Monats 8/2019: Gemeindezentrum Neumarkt in der Steiermark

Die Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark verwandelte ein historisches, baufälliges Gebäude im Ortszentrum in ein offenes und einladendes Amtshaus. Mit 984 Punkten erreicht es klimaaktiv GOLD Standard.

Wie viele Orte in Österreich hat auch Neumarkt einen großen Bestand an historischen Gebäuden in zentraler Lage. Manche dieser Häuser sind für die heutigen Anforderungen nur schwer und mit hohen finanziellen Aufwendungen adaptierbar. Geschäfte wandern daher vermehrt an den Ortsrand, folglich sterben die Ortskerne aus. Die Sanierung des historischen Gemeindegebäudes ist daher ein wichtiger Beitrag, um der Zersiedelung in Neumarkt entgegenzuwirken.

Im Jahr 2015 fusionierten sieben Gemeinden zur neuen Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark. Optimale räumliche Bedingungen für die neue Gemeinde hätten im vorherigen Amtshaus nur mit erheblichen Umbaumaßnahmen erzielt werden können. Daher entschied die Gemeinde, die bereits in Umbau befindliche „Alte Volksschule“ mit dem hauptplatzseitigen Nachbargebäude zu verbinden und sämtliche Verwaltungsbereiche dort zu vereinen.

Der Kern der historischen Bausubstanz ist auf das 16. Jahrhundert zurückzuführen. Der Gebäudezustand war desolat. Da die 90 – 120 cm dicken Steinwände ohne Fundament am Erdreich standen, konnte Feuchtigkeit aufsteigen.  Die Standfestigkeit war in Teilbereichen nicht gegeben. Die Deckenkonstruktionen in Gewölbe und Tramausführung war großteils beschädigt und durch eindringende Dachwässer durchmorscht. Zur Sichtung der umfangreichen Bestandssubstanz waren zahlreiche Sondierungen erforderlich.  Nur so war es möglich, die erforderlichen Maßnahmen zu definieren und in Kosten zu beziffern.

Alle erdberührenden Bauteile wurden mit Unterfangungen statisch stabilisiert. Durch die neue Erschließung in Form eines Stiegenhauses mit Aufzugsanlage war es erforderlich, Tonnengewölbe und Tramdecken über mehrere Geschoße abzubrechen und den Schacht exakt, lagerichtig unter der Dachhaut so zu platzieren, dass keine Dachdurchdringung erforderlich war und die Funktion vollumfänglich gegeben war. Die Rücksicherung des Dachstuhles erfolgte über sämtliche Geschoße. Die Lasten wurden mittels Stahlbetonroste und Auflagerschwellen vom Dach über alle tragenden Wände bis in das Erdreich abgeleitet.

Im Zuge der Bautätigkeit wurde eine historische Decke unter einer Fehltramkonstruktion über dem Obergeschoß entdeckt. Diese blieben sichtbar erhalten und machten eine Rücksicherung sowie die Herstellung eines darüberliegenden Brandabschnittes erforderlich. Zusätzlich wurde diese Decke entwurmt, gefestigt, teilweise mit Altholz ergänzt und restauriert.

Die Fußböden in den Büro- und Aufenthaltsräumen wurden aus heimischen massiven Lärchendielen gefertigt. Beim alten historischen Stiegenaufgang konnte über 100 Jahre altes Lärchenholz, welches im Gebäude abgebrochen wurde, wiederverwendet werden. Alle neuen, technischen Einbauteile wie Portale, Brandschutzelemente, Geländer-Konstruktionen wurden mit einheitlicher Farbgebung in einem Schwarzstahlton versehen. Konstruktive Elemente wurden mit Sichtbetonoberflächen, in sägerauen horizontalen Bretterschalungsoptik definiert.

Das Dachgeschoß beherbergt den neuen, vielseitig nutzbaren Veranstaltungssaal. Ein Blickfang ist der historische Dachstuhl, der in seiner Ursprünglichkeit erhalten wurde. Aufgrund statischer Erfordernisse wurde dieser mit einer Stahlkonstruktion verstärkt.

Die Gebäudehülle wurde thermisch an die heutigen Standards des Wärmeschutzes angepasst. Durch die Aufsparrendämmung bleiben die bestehenden Sparren sichtbar. Im Sparrenzwischenraum wurde eine weiß lasierte Holzschalung sowohl als optisches Gestaltungselement als zur Akustikoptimierung montiert.

Die Wärmeversorgung erfolgt durch Fernwärme aus Biomasse, die über eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung abgegeben wird. Die Besprechungsräume im Erd- und im Dachgeschoß wurden mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. In den Sommermonaten kann gekühlt werden (luftgekühlter Flüssigkeitskühlsatz). Um Zugerscheinungen auszuschließen wird die Luft über Drall- bzw. Quellluft-Auslässe eingebracht.

Der größte Teil der Arbeiten wurde von einheimischen Firmen durchgeführt.

Bürgermeister Josef Maier: „Die Besonderheit dieses Projektes war gewiss der Denkmalschutz. Die alte Bausubstanz brachte viele Herausforderungen mit sich. Das Ergebnis ist ein vorbildlich saniertes und adaptiertes Gebäude, in dem sich Historie und Moderne harmonisch vereinen.“

Im neuen Gemeindezentrum findet die gesamte Gemeindeverwaltung unter einem Dach Platz. In Zukunft können hier alle Serviceleistungen für die BürgerInnen abgewickelt werden. Der Sitzungssaal kann für kulturelle Veranstaltungen wie Vorträge, Vernissagen, kleinere musikalische Veranstaltungen oder Lesungen genützt werden.

BM. Ing. Elisabeth Löcker (Baustein Bau- und Projektmanagement GmbH): „Nachhaltiges Bauen bedeutet für mich, wertvoller historischer Bausubstanz mit sinnvoller Nutzung eine neue Zukunft geben.“

Projektbeteiligte

  • Bauherrschaft: Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark
  • Architektur: DI Gerfried Ogris
  • Planung, Bauaufsicht und Projektsteuerung: Baustein Bau- u. Projektmanagement Gmbh, Fr. BM Ing. Elisabeth Löcker
  • Bauphysik: Pabinger & Partner, Krumpendorf
  • Haustechnik: HLS Planungs Gmbh und IB Stengg, Spielberg und Knittelfeld
  • Statik: BM Ing. Bruno Kalles, Klagenfurt
  • Plausibilitätsprüfung: Ressourcen Management Agentur (RMA)
Veröffentlicht am 07.08.2019