Angriffe auf die Identität, Beschämung und Schuldzuweisungen überzeugen keine Unentschlossenen – ganz im Gegenteil, sie führen zu starken Abwehrreaktionen bei den „Angegriffenen“ und können potenziell gewinnbare Menschen vergrämen. Die dadurch resultierende gesellschaftliche Polarisierung ist ein großes Hemmnis für schnelle, große und vor allem nachhaltige Veränderungen; die USA bieten hier ein abschreckendes Beispiel. Wir sollten daher den Zeigefinger vermeiden und keine Feindbilder pflegen („die Klimaleugner:innen“, „die Ölkonzerne“, „die oberen zehn Prozent, „die Autofahrer:innen“ et cetera).
Stattdessen können wir uns bemühen, Polarisierung durch Dialog zu verhindern oder zu überwinden. Klimaschutz kann ja nur gelingen, wenn Menschen sich in ihren Bedürfnissen und Sorgen ernst genommen fühlen, alle in die gleiche Richtung ziehen und wir akzeptieren, dass es verschiedene Wege zum Ziel gibt. Es geht also in unserer Kommunikation nicht darum, unser Gegenüber zu „besiegen“, sondern in die gesellschaftliche Debatte zu Klimaschutz miteinzubinden, einen Nachdenkprozess anzustoßen und unsere Gesprächspartner:innen (oder zuhörende Dritte) einzuladen, sich für Veränderung einzusetzen. Das Ziel sollte sein, dass Menschen mit völlig unterschiedlichen Ansichten, Werten und Identitäten die Erderhitzung als jene Bedrohung wahrnehmen, die sie ist, und zu Klimaschutz beitragen möchten.
Die deutsche Studie „Übers Klima reden. Wie Deutschland beim Klimaschutz tickt“ von Climate Outreach zeigt, dass eine sozial verträgliche Gestaltung von Klimaschutz und dabei ein Mitspracherecht der Bürger:innen wichtig sind, um Unentschlossene zu überzeugen. Daher braucht es gemeinschaftlichen und zwischenmenschlichen Dialog rund um die Themen Klimakrise und die konkrete Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen. Der österreichische Klimarat ist hierfür ein herausragendes Beispiel, der in einem strukturierten und sichtbaren Prozess vorzeigt, dass Bürger:innen aus unterschiedlichen Regionen, Altersgruppen und Milieus in einem Boot sitzen und sich als Gemeinschaft auf Empfehlungen einigen können.
Da Klimaschutz eine kollektive und keine individuelle Herausforderung ist, sollten wir in unserer Kommunikation das Gemeinsame stets über das Trennende stellen, über gemeinsame Stärken sprechen, an kollektive Identitäten appellieren und Stolz für das wecken, was wir bereits geschafft haben und schützen wollen: „Wir in Österreich sind stolz auf unsere hohen schneebedeckten Berge und mächtigen Gletscher. Schützen wir, was wir lieben!“ Oder: „Wir in Österreich waren immer stolz auf unseren sauberen Strom aus Wasserkraft – mit neuer Sonnen- und Windkraft bleiben wir Vorreiterland!“ Bei alldem sollten wir möglichst im „Wir“ denken und sprechen und uns selbst somit in die Kommunikation miteinschließen.
Gemeinschaftlicher Klimaschutz schafft auch eine Positivspirale. Laut dem norwegischen Psychologen Per Espen Stoknes hat das eigene soziale Netzwerk nämlich einen entscheidenden Einfluss auf unser Verhalten: Erleben wir kollektive Handlungen unserer Gemeinschaft (zum Beispiel unserer Gemeinde, unseres Betriebs oder Vereins, unserer Nachbar:innen oder Freund:innen), erzeugt das einen positiven „Gruppendruck“ bei allen Beteiligten. Dies ist wesentlich Erfolg versprechender als Appelle an das Individuum. Beispiele für einen gemeinschaftlicheren Ansatz sind die Energiesparkampagnen des Deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums „80 Millionen für den Energiewechsel“ oder das österreichische Gegenstück „Mission 11%“.
Um die Bedeutung von gemeinschaftlichem Engagement und Kommunikation für den Klimaschutz zu unterstreichen, wurde sogar das Konzept des positiven „Handabdrucks“ entwickelt, um den oftmals zu individualisierenden CO2-Fußabdruck zu ergänzen. Denn wir haben auch als Individuen viele Möglichkeiten, unsere Mitmenschen zum Gespräch einzuladen und das Thema Klimaschutz damit inklusiver und zu einer gemeinschaftlichen Aufgabe zu machen. Wir können zum Beispiel online und offline Klimadialogformate wie Gemeinde-Klimaräte oder Klimastammtische einrichten und aktiv das Gespräch mit Freund:innen, Verwandten oder Bekannten suchen, um Sorgen und Gefühle zu teilen oder herauszufinden, wie andere über Klimakrise und Klimaschutz denken. Persönliche Gespräche im Alltag sind ein wichtiger Baustein, um das oftmalige Schweigen zum Thema Klimakrise zu brechen. Einen nützlichen Leitfaden für Gespräche rund um Klimaschutz wurde von der britischen Organisation „Climate Outreach“ entwickelt. Das Konzept des „REAL TALK“ empfiehlt zum Beispiel, dass wir das Gespräch nicht „gewinnen“ wollen, sondern dass wir unser Gegenüber respektieren, Gemeinsamkeiten herausarbeiten, Fragen stellen, aktiv zuhören, unsere persönliche Geschichte erzählen und von der Erfahrung lernen sollten.