Neue (Arbeits-)Wege mit dem S-Pedelec

Der große und schnellere Bruder des E-Bikes, das S-Pedelec, ist in Österreich bisher noch wenig bekannt. Mit den richtigen Rahmenbedingungen könnte es aber die Art und Weise verändern, wie Arbeitswege, vor allem mittlere Pendeldistanzen, zurückgelegt werden. Eine Studie bestätigt ein grundsätzliches Interesse an S-Pedelecs.

Das klassische E-Bike (oder „Pedelec“) mit einer Tretkraftunterstützung von 25 km/h hat die Einsatzmöglichkeiten des Fahrrads für Alltagswege erheblich verändert. Eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit, geringere körperliche Anstrengung und eine geringere Sensibilität gegenüber Steigungen ermöglichen das unbeschwerte Zurücklegen längerer Wege. Vor allem in Arbeitswege kann das Rad so besser integriert werden.

Der Schritt vom normalen Rad zum Pedelec ist dabei ein eher kleiner. Auch Pedelecs gelten rechtlich als Fahrräder und somit bleiben die bekannten Rechte und Pflichten dieselben. Wer aber noch einen Schritt weitergehen will und z. B. die Tretkraftunterstützung nicht nur bis 25 km/h haben möchte, der sollte ein S-Pedelec in Erwägung ziehen.

Noch weiter und schneller mit dem S-Pedelec

S-Pedelecs bieten eine Tretkraftunterstützung bis 45 Stundenkilometern, wodurch die zu erzielenden Distanzen noch einmal deutlich ansteigen. Der große Unterschied: Sie sind in Österreich rechtlich keine Fahrräder mehr, sondern Motorfahrräder, was bei den zugrundeliegenden Regeln einen wesentlichen Unterschied macht. So dürfen etwa keine Radverkehrsanlagen benützt werden und auch Ausnahmeregelungen wie Radfahren gegen die Einbahn gelten nicht. Hierzulande sind S-Pedelecs (aus diesem und anderen Gründen) noch eher ein Nischenprodukt und bisher war wenig über das Potenzial dieser Fahrzeuge bekannt.

Forschungsprojekt POSETIV prüft Fragen zu S-Pedelecs

Das vom Bundesministerium für Klimaschutz geförderte Forschungsprojekt POSETIV hat sich nun eingehend mit der Frage beschäftigt, welche Rolle das S-Pedelec zukünftig für die Bewältigung von Arbeitswegen spielen kann und welche Maßnahmen dafür ergriffen werden müssen.

Im Zuge des Projekts wurden rund 1.000 Pkw-Pendler:innen zu ihrer Bereitschaft, auf ein S-Pedelec umzusteigen, befragt. Dabei zeigten sich etwas mehr als ein Drittel interessiert. Zweiter Hauptteil des Projekts war ein Flottenversuch mit rund 100 Pkw-Pendler:innen, die für je eine Woche ein Pedelec bzw. ein S-Pedelec benutzten.

Aus der Befragung und dem Flottenversuch wurden drei strategische Ansätze abgeleitet, mit denen das S-Pedelec alltagstauglich gemacht werden kann. Erstens soll mittels ausreichend langer Testangebote die Bekanntheit von S-Pedelecs gesteigert werden, vor allem aber gaben beinahe alle interessierten Personen an, dass eine gründliche Testphase wichtig für die Kaufentscheidung wäre. Der zweite Ansatz gilt den rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem dem generellen Benützungsverbot von Radverkehrsanlagen, was von rund drei Viertel der Teilnehmer am Flottenversuch als großes Hemmnis erachtet wurde. Der dritte Ansatz gilt den finanziellen Aspekten des S-Pedelecs. Diese sind deutlich teurer als gewöhnliche Fahrräder oder Pedelecs. Empfohlen werden zeitlich begrenzte Förderungen sowie Informationen über die tatsächlich anfallenden Kosten des Pkw-Pendelns.

Die Macht der Gewohnheit

Die wichtigste Rolle, um S-Pedelecs verstärkt auf Arbeitswegen zu sehen, kommt aber dem Aufbrechen gewohnter Muster zu. Die Mobilitätsforschung weiß, dass nicht nur die Arbeitswege an sich sehr regelmäßig sind, sondern auch die zugrundeliegende Verkehrsmittelwahl sehr konstant ist. Änderungen sind hier vergleichsweise schwierig (aber nicht unmöglich) zu erzielen, machen sich aber insofern bezahlt, als dass sie in den Alltag „ausstrahlen“, also auch bei anderen Wegezwecken die Verkehrsmittelwahl beeinflussen können. Mögliche Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels wurden in die 5 Stufen des „Transtheoretischen Modells der Verhaltensänderung“ von Prochaska und DiClemente eingeteilt. Sie reichen von Bewusstseinsbildung und Selbstreflexion (damit ein Änderungswunsch entsteht) über Anreizsysteme und Beratung zur (S-)Pedelec-Nutzung bis hin zu Maßnahmen zur langfristigen Festigung der Entscheidung, ein (S-)Pedelec am Arbeitsweg zu nutzen. Dabei werden die Rollen verschiedener Akteure abgebildet, wie etwa Kolleg:innen oder Freund:innen, Arbeitgeber:innen sowie Bundesländer und Gemeinden.

In Summe bieten die Ergebnisse des Projekts POSETIV einen umfassenden Handlungsleitfaden, der die verschiedenen Akteure dabei unterstützen soll, dem umweltfreundlichen und gesundheitsfördernden Verkehrsmittel Fahrrad einen höheren Stellenwert auf Arbeitswegen einzuräumen.

Veröffentlicht am 21.09.2021