Die Implementierung einer nationalen Radverkehrsstrategie (NCS; National Cycling Strategy) wird von den meisten europäischen Staaten als Notwendigkeit anerkannt. Infolgedessen haben sich im Mai 2021 insgesamt 54 Staaten im Rahmen des Pan-European Master Plan for Cycling Promotion dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene eine Radverkehrsstrategie bis 2030 zu implementieren. Die aktuellste Studie der European Cyclists‘ Federation (ECF) zum Umsetzungsstand zeigt zum einen großen Aufholbedarf in vielen Regionen Europas und zum anderen innovative Lösungen zur Steigerung des Radverkehrs bei einigen Vorreitern.
Große Lücke bei gültiger Radverkehrsstrategie
In ihrem Bericht von Dezember 2022 mit Daten von 44 Staaten weist die ECF darauf hin, dass ein Großteil keine gültige nationale Radverkehrsstrategie besitzt. Von den 10 weiteren unterzeichnenden Staaten des paneuropäischen Masterplans waren keine Daten verfügbar.
Eine große Differenz zeigt sich bei den Ergebnissen vor allem zwischen West- und Osteuropa. Während in den meisten westeuropäischen Staaten eine gültige Radverkehrsstrategie vorhanden ist, fehlt diese im Großteil Osteuropas. Allerdings gibt es in einigen Ländern bereits Bestrebungen zur Umsetzung einer NCS. Besonders positiv hervorzuheben sind hier die Länder der Donauregion, die in Koordination mit dem Projekt Danube Cycle Plans an der allerersten Radverkehrsstrategie arbeiten – dazu gehören Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Slowenien und Serbien. Auch Italien hat 2022 erstmals eine nationale Radverkehrsstrategie implementiert.
Insgesamt haben derzeit nur 14 Staaten eine nationale Radverkehrsstrategie implementiert, dazu gehört auch Österreich mit dem Masterplan Radfahren. In sechs Staaten ist die Gültigkeit des Papiers ausgelaufen und muss erneuert werden – wie auch im Vorzeigestaat Dänemark, sowie Ungarn, Irland, Lettland, Slowakei und Schweden, während in weiteren acht Staaten ein Plan in Arbeit ist. Das bedeutet, dass in 16 von 44 untersuchten Staaten trotz der Verpflichtung zur Umsetzung des paneuropäischen Masterplans bis 2030 derzeit kein Strategiepapier geplant ist. Damit bleibt eine große Lücke vorhanden.
Innovative Ansätze im Radverkehr
Eine nationale Radverkehrsstrategie als politisches Instrument ist in der Regel auf mehrere Jahre ausgelegt und beinhaltet Visionen, Ziele und Maßnahmen, um das Radfahren attraktiver zu machen und zu fördern. Dazu gehört typischerweise der Ausbau der Infrastruktur, Gesetzesänderungen, Bewusstseinsbildungsmaßnahmen oder auch technische Verbesserungen. Einige der analysierten Staaten zeigen neue innovative Ansätze, um den Zugang zum Radfahren zu erleichtern.
Frankreich will nun beispielsweise vorhandene Daten und Technik verbinden, um die Vereinbarkeit zwischen diversen Transportmitteln zu erhöhen. Dazu sollen Daten über Fahrradnetze, Bikesharing-Punkte und Umsteigezentren verschiedenen Dienstleistern zur Verfügung stehen, um Verknüpfungen mehrerer Mobilitätsformen zu erleichtern.
In der portugiesischen Radverkehrsstrategie finden sich interessante Ideen zum Arbeitsrecht. Diese zielen auf die Arbeitsbedingungen ab und möchten so die Attraktivität des Radfahrens erhöhen, beispielsweise indem größere Unternehmen dazu verpflichtet werden, Umkleidekabinen in ihren Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
In der Slowakei muss der Radverkehr zukünftig in Straßenbauprojekten stärker berücksichtigt werden. Demnach müssen Verwaltungsbehörden Investor:innen abweisen, die den Radverkehr in der Planung nicht einbeziehen. Dadurch soll auch langfristig ein gutes Radnetz gesichert werden.
Hintergrund zu ECF
Die European Cyclists‘ Federation (ECF) ist eine Non-Profit-Organisation, welche 60 zivile Einrichtungen aus 40 europäischen Ländern vereint. Gegründet wurde die ECF 1983 mit dem Ziel, den Radverkehr zu verbessern und zu steigern. Unter anderem analysiert sie jährlich die Fortschritte der einzelnen Staaten in der Umsetzung des Pan-European Master Plan for Cycling Promotion.