Zu-Fuß-Gehen auf einem alten Highway

Zu Fuß Gehende „on top“: Seouls „Skygarden“ gibt zu Fuß Gehenden den Platz, der ihnen sonst oft nicht geboten wird. Der umfunktionierte Highway ist ein Musterbeispiel für fußverkehrsfreundliche Stadtentwicklung.

Im Zentrum der Stadt Seoul (Südkorea), direkt am Hauptbahnhof, liegt ein im Jahr 1970 errichteter Highway auf ca. 16 Meter Höhe. 2006 als unsicher befunden, sollte er abgerissen werden. Doch im Jahr 2014 entschied sich die Stadtverwaltung dafür, die Hochstraße in einen Park umzugestalten und sie für Menschen zu Fuß zu öffnen.

Im Jahr 2017 wurde der alte Highway schließlich unter dem Namen „Seuollo 7017“ für die zu Fuß gehende Bevölkerung geöffnet. Die einen Kilometer lange Hochstraße dient als Überführung über Eisenbahngleise und verbindet zwei Hälften eines Stadtteils, der durch die Eisenbahn zerschnitten wird.  Der Fußweg-Highway ist durch Zugänge zu 17 anderen Fußwegen bestens an das bestehende Netzwerk angeknüpft.

Ein Highway als Garten

Doch der ehemalige Highway ist mehr als bloß ein Fußweg –„Seuollo 7017“ ist als „botanischer Garten“ angelegt. Über 24.000 Pflanzen 228 verschiedener Arten in breiten Trögen sorgen für eine ansprechende und abwechslungsreiche Begrünung. Bei der Pflanzenauswahl wurde auf Regionalität geachtet. Wie bei einem konventionellen botanischen Garten sind an den Trögen Plaketten angebracht, auf denen Name und Herkunft der Pflanze beschrieben werden. Großzügige Sitzgelegenheiten, Spielbereiche für Kinder, Teiche und Pavillons runden das Gesamtkonzept ab und laden zum Verweilen ein. In der Nacht wird der „Skygarden“ durch zahlreiche Lampen blau beleuchtet, die untertags von Sonnenkollektoren versorgt werden.

Eine Lösung bei Platzknappheit

Gerade in Megacities wie Seoul ist der Platz knapp. Durch das Projekt wird den Menschen in Seoul wieder etwas mehr öffentlicher Raum zur Verfügung gestellt, der vorher dem Autoverkehr vorbehalten war. Das Zu-Fuß-Gehen wird gefördert und ein zerschnittener Stadtteil wird besser vernetzt. Auch unter Tourist:innen ist der „Skygarden“ zu einer Attraktion geworden.

Ein Erfolg – Auch in New York!

Der „Seullo 7017 Skygarden“ ist nicht das erste Projekt, bei dem eine ehemals nicht für Menschen zu Fuß gedachte Struktur umgewidmet wird. Die New Yorker „Highline“, eine alte Güterzugtrasse, wurde von 2006 bis 2019 zu einer Parkanlage für zu Fuß Gehende umgebaut, schrittweise für die Bevölkerung geöffnet, und erfreut sich nun großer Beliebtheit. Auch bei diesem Projekt wurde großzügig begrünt. Sitzgelegenheiten für zu Fuß Gehende laden zum Verweilen ein.

Ein „Skygarden“ in Österreich?

Die erwähnten Projekte können als Vorbild für zukünftige Visionen dienen, unter anderem auch in Wien selbst. Eine ehemalige U6-Trasse nach Heiligenstadt liegt seit Jahren brach und könnte so genutzt werden, dass Aktive Mobilität gefördert und die Lebensqualität im Grätzl verbessert wird. Ein Projekt in Wien wird bald realisiert: Auf dem noch bis 2021 als Frachtenbahnhof genutzten Nordwestbahn-Gelände im 20. Wiener Gemeindebezirk soll ab 2024 ein neuer Stadtteil entstehen und eine ehemalige Zulaufstrecke zu einem Fuß- und Radweg umfunktioniert werden. Die zwei durch den Frachtenbahnhof zerschnittenen Hälften des Bezirks werden dadurch miteinander vernetzt. Dazu soll eine ehemalige Bahntrasse und der etwa 2 Kilometer lange Bahndamm des Nordwestbahnhofs zu einer unterbrechungsfreien Fußverkehrs- und Fahrradverbindung umgewandelt werden. Diese wird von Cafés, Bars und Geschäften, sowie ansprechender Begrünung begleitet. Auch hier wird an das bestehende Fußverkehrs- und Radverkehrsnetzwerk angebunden.

So wird Menschen zu Fuß und auf dem Rad öffentlicher Raum zurückgegeben, ein dichtes Netzwerk an Fuß- und Radwegen geschaffen und die Lebensqualität im Bezirk massiv erhöht.

Zu wünschen ist, dass innovative Ideen wie der „Skygarden Seoul“ zu Gunsten des Fußverkehrs auch weiterhin in der Praxis realisiert werden und so der Umstieg auf Aktive Mobilität unterstützt wird.  

Veröffentlicht am 30.09.2021