"A Few Degrees More" - Leopold Museum sorgt mit schiefen Bildern für Aufsehen

Da stimmt doch etwas nicht? Besucher:innen im Leopold Museum in Wien wundern sich, dass Gemälde von Klimt, Schiele & Co. schief hängen. Wie es zu dieser Klimaaktion kam, was dahinter steckt und wie die Besucher:innen auf diese Überraschung reagieren, erzählt Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger.

Mit dem mahnenden Kampagnenmotto A Few Degrees More (Will Turn the World into an Uncomfortable Place) veranschaulicht das Leopold Museum in Kooperation mit dem Klimaforschungsnetzwerk CCCA (Climate Change Centre Austria) die teils katastrophalen Auswirkungen von nur ein paar Temperatur-Graden mehr auf die Umwelt.

Dazu wurden weltberühmte Landschaftsgemälde der Sammlung um genau jenen Grad-Wert geneigt, um welchen die Temperatur in den gezeigten Gebieten, etwa der Atterseeregion, den Voralpen oder der Atlantikküste, steigen könnten, wenn nicht rechtzeitig tiefgreifende Gegenmaßnahmen gesetzt werden.

In Zusammenarbeit mit dem CCCA ermittelte ein Team aus 12 renommierten Wissenschaftler:innen verschiedener Fachbereiche – von Meteorologie über Agrarwissenschaft bis zu Sozialwissenschaft – die Auswirkungen, welche durch die Klimaerwärmung auf die in den ausgewählten Gemälden dargestellten Motive in den kommenden Jahrzehnten zukommen werden. Grundstein dazu bilden die jeweils angegebenen möglichen Gradzahlen des Temperaturanstieges. Zusätzlich wird auf den Bildtafeln dazu animiert, auch im eigenen Lebensbereich sowie auf struktureller und politischer Ebene Maßnahmen gegen diese Entwicklungen zu setzen.

Die außergewöhnliche Idee für diese Aktion entstand mit der Kreativagentur Wien Nord Serviceplan. Die Intervention A Few Degrees More ist im Rahmen der Ausstellung Wien 1900. Aufbruch in die Moderne im Leopold Museum bis 26. Juni zu sehen. Begleitend zur Aktion bietet das Leopold Museum an jedem Sonntag um 14 Uhr kostenlose Sonderführungen zu den 15 Werken.

3 Fragen an Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger

Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Aktion gekommen?

Wir setzen uns schon seit längerer Zeit mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander und streben auch das Umweltzeichen an. Das beginnt bei Ausstellungsmaterialien, die wir recyceln, geht über die Umstellung auf LED-Beleuchtung bis zur Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen in unserem Haus. Dieser Prozess läuft sehr gut. Als Museum haben wir zudem eine nachhaltige Rolle in der Gesellschaft - wir bewahren und vermitteln das kulturelle Erbe für die nächsten Generationen und wir haben eine hohe Glaubwürdigkeit. Das ist natürlich auch eine Verpflichtung. Mit dieser Aktion wollen wir uns solidarisch mit der Klimawissenschaft zeigen. Und das auf eine sehr konstruktive Art. In Abstimmung mit CCCA ist eine wunderbare Intervention gelungen, über die breit diskutiert wird. Das weltweite, mediale Echo ist enorm.

Wie reagieren die Besucher:innen?

Es war sehr interessant zu beobachten. In der ersten Woche hatten wir noch keine Beschilderung und Erklärung. Die Besucher:innen waren überrascht, teils verwirrt, haben aber positiv reagiert. Das Feedback ist jetzt, nachdem wir die Zusammenhänge mittels Begleittexten aufzeigen, sehr positiv. Zusätzlich animieren wir auf Bildtafeln dazu, auch im eigenen Lebensbereich sowie auf struktureller und politischer Ebene Maßnahmen gegen diese Entwicklungen zu setzen.

Warum ist diese Aktion ein Beispiel für gute Klimakommunikation?

Schon die Künstler:innen der Avantgarde waren Seismograf:innen ihrer Zeit und haben den Zustand der Welt und des Individuums visionär betrachtet. Kunstmuseen sind Orte, in denen Menschen die Welt durch den gefilterten Blick der Künstler:innen erfahren können und mit Themen, Denkweisen und Weltsichten konfrontiert werden, die auch unbequem, fordernd oder provokant sein können. In diesem Sinne ist eine Aktion zu diesem wichtigen Thema eine sehr gute Methode, um Leute zu sensibilisieren.

Veröffentlicht am 30.11.2023

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