Die Südtiroler-Siedlung in Bludenz umfasst ca. 400 Wohnungen und wird aktuell von etwa 650 Personen bewohnt. Eigentümerin ist die Alpenländische Gemeinnützige WohnbauGmbH. Die überwiegend kleinen Mehrfamilienhäuser wurden zwischen 1942 und 1962 fertiggestellt. Sie sind baulich bis auf die in den 80er Jahren erneuerten Fenster noch im Originalzustand. Der Wärmeschutz ist entsprechend sehr schlecht. Geheizt wird dezentral mit Einzelöfen (Stückholz, Pelletöfen, vereinzelt Gas) oder mit direkt-elektrischen Heizsystemen wie Infrarotpaneelen und Nachtspeicheröfen. Die Warmwassererzeugung erfolgt über Elektroboiler. Die Grundmiete ist zwar sehr günstig, jedoch sind die Energiekosten aufgrund des schlechten energetischen Standards sehr hoch – die Gebäude gehören zu den „worst performing buildings“ in Vorarlberg. Zudem schätzen drei Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner den thermischen Komfort im Winter als schlecht ein und zwei Drittel empfinden die Raumtemperatur im Sommer als zu hoch. Das Monitoring in den unsanierten Gebäuden bestätigt die subjektive Empfindung der Menschen: In einigen Wohnungen wurden im Winter zeitweise nur 13°C gemessen.
Herausforderungen und Zielsetzungen im Projekt „SüdSan“
Die Gebäude sind repräsentativ für die kleineren Mehrfamilienhäuser der 20er bis 60er Jahre. Diese machen immerhin knapp 13% des Wohnungsbestandes Österreichs aus. Vor diesem Hintergrund erarbeitete die Forschungsgruppe im Rahmen des Projekts „SüdSan“ energetisch, ökologisch sowie wirtschaftlich optimierte Sanierungskonzepte und setzte sie an zwei unterschiedlich großen Mustergebäuden um. Dabei gab es drei besondere Herausforderungen: Der sehr schlechte Allgemeinzustand der Gebäude, deren Einstufung als erhaltenswert nach Projektstart und insbesondere die Vorgabe der Sanierung im bewohnten Zustand.
Der Schwerpunkt des Projekts lag auf dem Vergleich unterschiedlicher Energiekonzepte und der Auswirkung unterschiedlicher energetischer Zielgrößen. Diese reichten von den Mindestanforderungen der Bautechnikverordnung Vorarlbergs bis hin zum höchsten Standard „EnerPhit“, also einer energetischen Modernisierung mit Passivhaus Komponenten. Die beiden Mustergebäude wurden bewusst in unterschiedlichen Ausführungsarten energetisch und ökologisch hochwertig saniert und nach Fertigstellung im April 2024 erfolgreich nach dem klimaaktiv Kriterienkatalog deklariert.
Konstruktion, Baustoffe und Komfort
In beiden Gebäuden mussten aus statischen Gründen die Dachstühle erneuert werden. Dies ermöglichte die Schaffung zusätzlicher Wohnungen in den Dachgeschossen. Satteldach, Außenwände und Fenster wurden in einem sehr guten Energieniveau ausgeführt. Die Dächer beider Mustergebäude wurden mit Zellulose gedämmt. Das kleinere Gebäude erhielt ein herkömmliches Wärmedämmverbundsystem aus Holzweichfaserplatten, da ein neuartiges System aus Stroh zum Zeitpunkt der Ausführung noch nicht marktfähig war. Die Wanddämmung des größeren Gebäudes wurde mittels einer in Teilen vorgefertigten Kreuzlagen-Holzkonstruktion angebracht. Die Keller beider Gebäude wurden von außen gedämmt und zusätzlich von innen mit einer Flankendämmung versehen. Die Dämmung der untersten Geschossdecken konnte wegen der geringen lichten Höhe der Keller nur in mittlerer Qualität ausgeführt werden.
Die Wirkung der energetisch optimierten Gebäudehüllen kann sich sehen lassen: Der berechnete Heizwärmebedarf HWBRef,RK der beiden Gebäude liegt nach der Sanierung mit 29 und 23 kWh/(m2BGFa) sehr niedrig, die gemessene Luftdichtheit ist hervorragend.
Energie und Versorgung
In beiden Gebäuden kamen zentrale Komfortlüftungen mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Damit ist eine gute Luftqualität gewährleistet und die Lüftungswärmeverluste werden deutlich verringert. Dank der sehr guten Hülle und der Komfortlüftung liegt die mit PHPP ermittelte Heizlast mit 13 bzw. 19 W/m2EBF sehr niedrig. Damit konnte das Wärmeversorgungssystem sehr klein dimensioniert werden. Im kleineren Gebäude wird der Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser durch eine Sole-Wärmepumpe, im größeren durch eine Luft-Wärmepumpe gedeckt. Als Wärmeverteilsystem kommt jeweils ein 4-Leitersystem mit Wärmeübergabestationen in den Wohnungen zum Einsatz. Die Wärmeabgabe erfolgt im kleineren Gebäude durch neu installierte Heizkörper, die von der Außenseite der Außenwand angefahren werden. Im größeren Gebäude kommt als Neuheit erstmals ein Wandheizungssystem zum Einsatz, das auf der Außenseite der Bestands-Außenwand aufgebracht und sehr gut überdämmt wurde. Jeweils eine Seite des Satteldachs erhielt eine nahezu vollflächige Photovoltaikanlage. In beiden Gebäuden sorgen außenliegende Jalousien dafür, dass keine sommerliche Überhitzung auftritt.
Mobilität/Infrastruktur
Im Kellergeschoss waren umfangreiche Arbeiten zur Beseitigung von Feuchteschäden und zur Schaffung eines Haustechnikraums notwendig. Im Zug dieser Arbeiten konnten auch neue Fahrradabstellräume eingerichtet werden.
Projektbeteiligte
- Bauherrschaft: Alpenländische Gemeinnützige WohnbauGmbH
- Architektur: Johannes Kaufmann und Partner GmbH
- Haustechnikplanung: Planungsteam E-Plus GmbH
- Bauphysik: Hafner Weithas Bauphysik GmbH
- Bauleitung: Rhomberg Bau GmbH (GU)
- Konzeption und Lead des Forschungsprojekts: Energieinstitut Vorarlberg
- Förderung des Forschungsprojekts: FFG (Stadt der Zukunft), Land Vorarlberg