Für die Planung und Umsetzung des komplexen Schulcampus auf 30.000 m2 zeichnet die Arbeitsgemeinschaft der Architekten Adamer°Ramsauer-BME Baumanagement ZT GmbH sowie die Vasko & Partner Ziviltechnik GmbH verantwortlich. Die drei jeweils miteinander verbundenen Baukörper bestehen aus Internat, Schule mit Turnsaal und Forschungseinrichtung mit Lehrbetrieb.
Die Architektur der drei Baukörper wird durch den Holzbau, die Anforderungen an die Nachhaltigkeit und die Höhenstaffelung der Gebäude, die dem nach Süden stark ansteigenden Hang folgen, bestimmt. „Die Hanglage mit ihrer Höhendifferenz von 25 Metern, der enge Kostenrahmen und die kurze Planungszeit waren sehr herausfordernd, konnten aber optimal gelöst werden,“ denkt Architekt Gerhard Aicher (BME Architektur-Baumanagement ZT GesmbH) zurück.
Energieeffizienz in Kombination mit gelungener Architektur ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zweier Architekturbüros in Tirol und Wien. „Die Gebäude fügen sich in die Landschaft ein, wir holen die Natur herein und schaffen eine Verbindung zu den Bestandsgebäuden der Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt Rotholz”, erklärt Architekt Karl Brodl (BME Architektur-Baumanagement ZT GesmbH).
Ökonomie und Ökologie
Durch kompakte, hochgedämmte Baukörper, sorgfältige Materialwahl, kontrollierte Belüftung und optimalen Sonnenschutz sowie viele weitere Maßnahmen in Planung, Ausführung und Betrieb werden alle drei Baukörper den hohen Anforderungen des klimaaktiv-Gebäudestandards gerecht. Bei der Wahl der Baustoffe wurde großes Augenmerk auf den ökologischen Rucksack, CO2-Emission bei der Herstellung sowie auf Transport und Rückbau gelegt. Durch den hohen Grad an Vorfertigungen konnten die Gebäude rasch und effizient errichtet werden.
„Jedes einzelne Gebäude hat seine eigene Identität. Schule und Internat sind den ökologischen Werten des Schultyps entsprechend in den Obergeschossen in Holz-Bauweise, das Gebäude von Forschung & Service wegen der Hygienevorschriften von Produktion und Labor in Beton errichtet“, so Architekt Klaus Adamer (Architekten Adamer°Ramsauer ZT Gesellschaft OG).
Alle drei Gebäude sind an die Biomasse-Nahwärme Rotholz angeschlossen. Die Grundlastheizung erfolgt über die Betonkernaktivierung. Lastspitzen werden mittels statischer Heizflächen bzw. Fußbodenheizung bedarfsabhängig abgedeckt. Eine kontrollierte zentrale Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt effizient für gute und behagliche Raumluftqualität.
Die Grünflächen auf den Dächern absorbieren und verzögern den Energieeintrag und tragen somit zu einer zusätzlichen thermischen Stabilisierung im Gebäude bei. Während der Verdunstung der Erdfeuchte tritt ein Kühleffekt durch freiwerdende latente Wärme ein.
Die Schule
Die Schule liegt als U-förmiger, 5-geschoßiger Baukörper mittig zwischen Internat und Forschungsgebäude und ist mit beiden Bauteilen über „Brücken“ verbunden. Im Gebäude sind 13 Klassen, Arbeits- und Praxisräume sowie eine Lehrküche untergebracht. Der transparente Mittelteil, durch den der Grünraum spürbar ist, verbindet die Straße über die mehrgeschossige Aula mit dem Innenhof. Der Turnsaal liegt als Verbindung zwischen Schule und Internat und kann zum Festplatz hin geöffnet werden.
Die Träme bleiben in den Klassenzimmern sichtbar und machen den Holzbau spürbar. Die vorgefertigten Fassadenelemente bestehen aus unbehandelten, vertikalen Lärchenholzlatten mit hochwertigen Holz-Alufenstern. Alle Klassenzimmer sowie die Gänge sind mit Holzbelägen ausgestattet.
Ein justierbarer Sonnenschutz an allen Glasflächen vermeidet eine sommerliche Überwärmung. Auf dem Flachdach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 94 kWp installiert.
Das Internat
Das Internat liegt als 6-geschoßiger riegelförmiger Baukörper an der westlichen Grundgrenze und bietet Platz für 200 Betten. Jeweils zwei Zwei-Bett-Zimmer bilden einen Wohnverband mit Dusche und WC. In jedem Geschoss gibt es ein Dienstzimmer sowie einen großzügigen Tagraum mit Teeküche.
Die Zimmer wurden als vorgefertigter Holz-Massivbau seitlich an den Stahlbetonkern, der die Gänge und Nasszellen beherbergt, angehängt. Der Holzbau ist innen nicht verkleidet und bietet ein natürliches und freundliches Raumklima.
Zentrum des kompakten Baukörpers ist ein über alle Geschoße reichender Luftraum, in dem sich eine Kletterwand befindet.
Auf dem Dach befindet sich eine PV-Anlage mit 56 kWp. Mit 1000 Punkten erreicht das Internats-Gebäude sogar die höchstmögliche Punktezahl des klimaaktiv GOLD Standards!
Das Forschungsgebäude
Der Bereich Forschung und Service der HBLFA Tirol sieht sich als Serviceeinrichtung zur Stärkung der Land- und Milchwirtschaft im alpenländischen Raum. Es geht um Technologie, Chemie, Mikrobiologie und Hygiene von Milchprodukten und die nationale und internationale Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Universitätsinstituten. Milchverarbeitende Betriebe können innovative Produkte in Rotholz bis hin zur Marktreife entwickeln lassen. Milchprodukte können hier mikrobiologisch, chemisch und biochemisch untersucht werden.
Neben den Verwaltungsräumlichkeiten und Laboren befindet sich eine Käserei im Forschungsgebäude. Mit den vor Ort hergestellten Käsespezialitäten wird der österreichische Markt beliefert. Die Abwärme der Käserei wird als Primärenergie in das Heizsystem eingebracht.
Das Gebäude liegt östlich der Schule und befindet sich im tiefsten Bereich des Geländes. Es ist ein U-förmiger 4-geschoßiger Baukörper mit einem begrünten Innenhof. Der überdeckte Vorplatz liegt aufgrund des Geländeverlaufs im oberirdischen 1. Untergeschoss und bildet den zentralen Erschließungsbereich.
Mobilität
Das Schulzentrum ist über die Zillertalbahn an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Außerdem gibt es 200 Fahrradabstellplätze sowie eine Parkgarage mit 160 PkW-Abstellplätzen und zusätzliche Parkplätze im Freien.
Im Bereich des Parkdecks wurden zwei E-Tankstellen installiert und bereits die Verrohrungen für weitere 10 Elektrotankstellen hergestellt.
Ein Herzensprojekt
Architektin Birgit Neulinger (Architekten Adamer°Ramsauer ZT Gesellschaft OG) fasst zusammen: "Ein absolutes Herzensprojekt für das ganze Projektteam, vom naturnahen städtebaulichen Ansatz bis zu den Details der hochwertigen Ausstattung – und obendrein ein Pilotprojekt in Sachen integraler Planung und Nachhaltigkeit! Wir sind stolz und sehr glücklich mit dem Ergebnis!".
Die HBLFA Tirol startete mit 14. September 2020 den Schulbetrieb. Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler, 250 Lehrerinnen und Lehrer, Bedienstete und Lehrlinge werden in Rotholz in der bestehenden Landwirtschaftlichen Lehranstalt (LLA) und der neuen HBLFA lernen, lehren und forschen.
Projektbeteiligte
Die HBLFA Tirol – Forschung und Service ist eine Dienststelle des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.
- Bauherrschaft: Landwirtschaftliche Bundesversuchswirtschaften GmbH
- Architektur: ARGE Adamer°Ramsauer-BME ZT GmbH
- Bauherrnbegleitung: Vasko & Partner ZT GmbH
- Statik: Lackner-Raml ZT-Gmbh
- Bauphysik: Ingenieurbüro Rothbacher GmbH
- Haustechnik: tgaplan Gebäudetechnik GmbH
- Plausibilitätsprüfung: Energie Tirol