© Boris Böttger
Der freie Journalist und FH Dozent Thomas Wolkinger

Weiterbildung

Lehrgang Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus

Thomas Wolkinger gründete den weltweit ersten Lehrgang für Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus. Im Interview erklärt er, warum Nachhaltigkeitskommunikation neue Wege braucht, welche blinden Flecken es gibt und wie Journalismus und PR Zukunftsthemen glaubwürdig vermitteln können.

© Boris Böttger
Der freie Journalist und FH Dozent Thomas Wolkinger

Sie haben den ersten interdisziplinären Lehrgang für Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus gegründet. Welche Themenbereiche und Disziplinen deckt der Lehrgang ab, und warum ist es wichtig, diese gemeinsam zu denken? 

Thomas Wolkinger: Die Klimakrise wurde lange Zeit als ein Problem der „Natur“ gedacht – und damit als eines, das vor allem mithilfe der Naturwissenschaften oder mit Technologien zu lösen ist. Inzwischen wissen wir, dass das nicht stimmt. Die Klima- und Nachhaltigkeitskrise ist eine gesamtkulturelle, die auch soziale, politische und ökonomische Ursachen und Auswirkungen hat. Das macht sie zu einem Querschnittsthema, das jeden unserer Lebens- und Arbeitsbereiche berührt. Ich glaube, dass es für Kommunikator:innen unabdingbar ist, diese unterschiedlichen Perspektiven zu erfassen, wenn sie glaubwürdig und authentisch über Nachhaltigkeit kommunizieren wollen, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden und es zugleich so für ihr Publikum übersetzen zu können, dass die Botschaft Resonanz findet. Im Lehrgang legen wir daher großen Wert auf interdisziplinären Austausch, allein schon deshalb, weil die Teilnehmer:innen aus ganz unterschiedlichen Praxisfeldern kommen. Einen wichtigen Stellenwert nehmen außerdem kommunikationsspezifische Themen wie Kommunikationspsychologie, Storytelling oder Content Strategie ein. 

Die Kommunikation rund um Klima und Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt − würden Sie dem zustimmen? Welche Entwicklungen, die für Kommunikator:innen besonders relevant sind, beobachten Sie aktuell?

Wolkinger: In den letzten Jahren ist eine deutliche Professionalisierung der Klima- beziehungsweise Nachhaltigkeitskommunikation in Österreich zu beobachten. Das hat auf Seiten der Unternehmenskommunikation viel mit dem European Green Deal zu tun, der ja auch neue Regulierungen fürs Nachhaltigkeitsreporting oder für „Green Claims“ umfasste – auch wenn das aktuelle Omnibus-Paket da einiges wieder abschwächen will. Und in den österreichischen Redaktionen ist das Klimathema spätestens im Jahr 2019 angekommen. Den Aktivist:innen von Fridays for Future sei Dank, die ganz maßgeblich dazu beigetragen haben, dass fast alle Medien heute regelmäßig Klima-Schwerpunkte setzen, einschlägige Newsletter oder Podcasts anbieten oder eigene Ressorts eingerichtet haben. Gar nicht hoch genug kann man in diesem Zusammenhang die Rolle des Netzwerks Klimajournalismus Österreich einschätzen, das sich mit Klimacharta und Klima-Kodex um Qualitätsstandards bemüht und wichtige Formate zur Vernetzung und Weiterbildung anbietet. Bislang setzen jedoch nur wenige Medien – darunter die Österreichische Presseagentur APA und Die Presse – auf Klima-Teams oder ähnliche Konstrukte, um die Klimafrage ressort- und themenübergreifend zu denken.

Auch sind seit dem vergangenen Jahr Ermüdungserscheinungen zu beobachten. Geopolitische Krisen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die autoritäre Wende in den USA und in anderen Ländern mit all ihren ökonomischen Verwerfungen drohen die Klimakrise wieder in den Hintergrund der Berichterstattung zu rücken: Österreichs Tageszeitungen berichteten im Vorjahr um 20 % weniger darüber als noch vor zwei bis drei Jahren.

„Die ökologischen Krisen sind zu groß für Einzelkämpfer:innen. ”

Wo sehen Sie aktuell die größten blinden Flecken in der Nachhaltigkeitskommunikation und im Klimajournalismus – inhaltlich, strategisch oder auch handwerklich? 

Wolkinger: Davon, dass die Klimakrise – wie im Klima-Kodex des Netzwerks festgehalten – nicht nur ein Thema von vielen, sondern eine „Dimension“ jedes Themas ist, davon sind die meisten Redaktionen in Österreich noch sehr weit entfernt. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die meisten Medienhäuser derzeit, meiner Ansicht nach, deutlich zu wenig in die Weiterbildung ihrer Redakteur:innen investieren. Und gerade der ORF könnte – zusätzlich zu löblichen Initiativen wie Mutter Erde oder dem „ZIB Magazin Klima“ – inhaltlich noch deutlich stärker glänzen. Was PR und Unternehmenskommunikation angeht, so besteht die Gefahr, dass Nachhaltigkeits-Reporting zum Ritual wird, wo es weniger um eine wirklich nachhaltige Transformation der Wertschöpfung geht als um das bloße Abhaken von ESG-Kennzahlen. Darauf hinzuweisen beziehungsweise noch viel kritischer die von Politik und Wirtschaft vorgeschlagenen „Lösungen“ zu hinterfragen, sollte wiederum stärker Thema der journalistischen Klimaberichterstattung sein. Mehr Accountability-Reporting, weniger grüne Lifestyle-Tipps. Insgesamt zeigt auch die „Grazer Charta der Klimakommunikation“ aus dem Vorjahr auf, was es braucht: strategischer konzipierte, aktivierende, lösungsorientierte Kommunikation, die der Desinformation und der Polarisierung entgegenwirkt – kurz gesagt braucht es eine tiefgreifende Ökologisierung der Kommunikation in allen Bereichen. 

Wenn Sie in fünf Jahren zurückblicken – woran würden Sie erkennen, dass sich die Nachhaltigkeitskommunikation und der Klimajournalismus in die richtige Richtung entwickelt haben? 

Wolkinger: Klimakommunikation spielt zwar eine wichtige Rolle – wenn aber die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen klimaverträglichem Handeln entgegenstehen, kann auch die beste Kommunikation nichts ausrichten. Deshalb sind die Kausalitäten nicht ganz einfach festzumachen. Aber es wird gut gewesen sein, wenn Politik, Unternehmen und Institutionen PR und Werbung einsetzen, um transparent und nachvollziehbar über die Klima- und Nachhaltigkeitseffekte ihrer Gesellschafts- und Geschäftsmodelle Rechenschaft abzulegen. Und wenn Medienhäuser Klima und Nachhaltigkeit sichtbar und konjunkturunabhängig in ihren Organisationsstrukturen, journalistischen Programmen und internen Weiterbildungsangeboten verankert haben. Mit der Folge, dass in der Gesellschaft wieder mit Interesse und Lust über ein klimagerechtes Leben diskutiert und gestritten wird. 

Welchen Rat würden Sie Menschen geben, die eine Karriere in der Nachhaltigkeitskommunikation, Pressearbeit oder im Klimajournalismus anstreben? 

Wolkinger: Die ökologischen Krisen sind zu groß für Einzelkämpfer:innen. Mit anderen daran disziplinenübergreifend zu arbeiten, kann aber enorm bereichernd sein. Dafür braucht es belastbares Wissen und solides Handwerk und hier wollen wir auch mit dem Lehrgang anknüpfen. Meine Empfehlung: Hartnäckig bleiben, sich weiterbilden und sich Netzwerken anschließen.