© Nadine Schellnegger/CCCA

Climate Walks

Klimawissen zum Mitgehen: Wie Climate Walks Wissenschaft und Praxis zusammenbringen

Climate Walks verbinden Forschung und Alltag, Stadt und Natur, Menschen und Perspektiven. Holger Hoff vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz erklärt im Interview, wie das Format funktioniert – und warum es für Gemeinden und Regionen ein wertvolles Werkzeug in der Klimakommunikation und ein Schritt auf dem Weg vom Wissen zum Handeln sein kann.

© Nadine Schellnegger/CCCA

Ein milder Nachmittag in Innsbruck. Die Sonne zeigt sich zwischen den Wolken, es ist trocken und angenehm kühl – das perfekte Wetter für einen Spaziergang mit Tiefgang. Am Ufer des Inns hat sich eine bunt gemischte Gruppe versammelt: Wissenschaftler:innen, Stadtplaner:innen, Tourguides und Studierende. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, nicht nur durch die Stadt, sondern auch mitten hinein in die Klimafragen unserer Zeit. Der Climate Walk führt sie zu Orten, die von Hitze betroffen sind, zu grünen Oasen und zu Projekten, die zeigen, wie Klimaschutz und Klimaanpassung konkret aussehen können. Es wird diskutiert, gefragt und erklärt – und vor allem: gemeinsam erlebt. Denn wer geht, sieht und fühlt mehr. Und wer gemeinsam geht, versteht besser. Im Interview erzählt Holger Hoff, wie Climate Walks Räume für Austausch und neue Ideen schaffen und wie Klimakoordinator:innen und Kommunikator:innen das Format für ihre Arbeit nutzen können.

„Wer gemeinsam geht, versteht besser.”

Was passiert, wenn Menschen gemeinsam durch ihre Stadt oder Gemeinde gehen und dabei über Klimafragen sprechen? Was macht den Climate Walk zu einem besonderen Format?

Holger Hoff: Das gemeinsame Gehen ist eine besondere Situation, die sich deutlich von einem Vortrag im Hörsaal unterscheidet. Man nimmt mit allen Sinnen wahr, was um einen herum passiert. Hitze, Lärm, Begrünung, Verkehrsberuhigung. Das geht viel tiefer als eine PowerPoint-Präsentation. Außerdem regt Bewegung das Denken an. Beim Gehen kommen Gedanken in Fluss, die im Sitzen oft verborgen bleiben. Das fördert Aufmerksamkeit, Kreativität und Austausch.

Wir legen entlang des Weges mehrere Stopps an markanten Punkten ein, und dort geben Personen mit Fachwissen oder Erfahrung kurze Impulse. Das reicht meist schon aus, damit sich lebendige Diskussionen entspinnen. Die Gespräche setzen sich zwischen den Stationen fort – und das ist gewollt. Denn der Austausch findet nicht nur zwischen Expert:innen und den übrigen Teilnehmenden, sondern auch unter den Teilnehmenden statt. So wird der Walk zu einem Raum für transdisziplinären Dialog, in dem alle voneinander lernen.

Beim Innsbrucker Climate Walk wurden viele Themen sichtbar gemacht – von Hitzeinseln bis zur nachhaltigen Mobilität. Welche Erkenntnisse waren für Sie besonders überraschend oder lehrreich?

Holger Hoff: Für mich war überraschend, dass sich Innsbruck schneller aufheizt als viele andere österreichische Städte. Zwar liegt die Stadt in den Bergen, doch das hilft tagsüber wenig gegen die zunehmende Hitze. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Funktion der umliegenden Wälder als Schutzwald. Sie dienen nicht nur als Erholungsraum, sondern schützen die Stadt auch vor Naturgefahren. Gleichzeitig sind sie selbst durch den Klimawandel gefährdet.

Spannend war auch die Umgestaltung einzelner Orte zu sogenannten „Cool Spots“ mit wissenschaftlicher Begleitung. Die Universität misst dabei nicht nur die klimatischen, sondern auch die sozialen Effekte. So wurde aus einem eher unattraktiven Ort ein lebendiger Treffpunkt mit Cafés. Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass nachhaltige Initiativen wie Radwege an Kapazitätsgrenzen stoßen können, wenn sie gut angenommen werden.

Wie gelingt es, so unterschiedliche Akteur:innen wie Wissenschaftler:innen, Personen aus der Verwaltung und der Zivilgesellschaft sowie Tourguides in einem gemeinsamen Format zusammenzubringen?

Holger Hoff: Das funktioniert, weil wir alle aus unserer gewohnten Rolle und Umgebung heraustreten. Ich sage immer: Man setzt den Hut ab und ist dann nicht der Professor, sondern Teil einer Gruppe, die gemeinsam unterwegs ist. So entsteht ein Dialog auf Augenhöhe. Es steht auch nicht jemand vorne und sagt, wo es langgeht – wir gehen gemeinsam. Das erzeugt Hierarchiearmut und fördert den Austausch. Lärm, Hitze, Ruhe, Schatten – all das nehmen wir gemeinsam wahr. Diese gemeinsame Basis, auf der ein konstruktiver Dialog und Ideen für neue evidenzbasierte Lösungen entstehen – das ist für mich gelebte Transdisziplinarität.

Viele Gemeinden und Städte setzen bereits auf Spaziergänge oder Exkursionen. Was braucht es, damit daraus ein echter Climate Walk wird – mit Wirkung über den Tag hinaus?

Holger Hoff: Wir wollen kein neues Format erfinden, sondern auf bereits Bestehendem aufbauen. Viele Gemeinden, Städte oder Regionen bieten bereits geführte Spaziergänge oder Exkursionen an, an die wir anknüpfen können. Wichtig ist, ein klares Thema, wie etwa Mobilität oder Grünraum, zu setzen und passende Orte auszuwählen. An diesen Orten sollte sichtbar werden, was gut funktioniert oder wo Handlungsbedarf besteht. Und es braucht Menschen, die an diesen Orten etwas beitragen können – mit Wissen, Erfahrung oder Perspektive.

Ein echter Climate Walk basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ob jemand aus der Wissenschaft live dabei ist, ist nicht entscheidend, aber das Wissen sollte einfließen und es sollte ein längerfristiger Dialog, bestenfalls eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis entstehen. Unser Ziel ist, dass der Walk über den Tag hinaus wirkt – durch neue Ideen, Netzwerke und Impulse für die Umsetzung.

„Man setzt den Hut ab und ist nicht der Professor, sondern Teil einer Gruppe, die gemeinsam unterwegs ist – das schafft Dialog auf Augenhöhe und öffnet Raum für neue Ideen.”

Was raten Sie Kommunikator:innen, die selbst einen Climate Walk organisieren möchten? Wo gibt es Unterstützung, und wie kann man sich einbringen?

Holger Hoff: Ich würde empfehlen, sich zunächst zu überlegen, welches Thema behandelt werden soll und welche Orte sich dafür eignen. Anschließend sollten passende Personen für Inputs gesucht werden. Das können Wissenschaftler:innen sein, aber auch Menschen mit lokaler Erfahrung. Unterstützung gibt es von unserer neuen Arbeitsgruppe „Climate Walks“ beim CCCA, dem Climate Change Centre Austria. Dort entsteht eine Plattform, auf der wir Materialien sammeln, Erfahrungen austauschen und uns vernetzen. Gemeinden und Städte können sich gerne an uns wenden, auch wenn wir nicht immer sofort mitmachen können.

Der Austausch zwischen Gemeinden und Städten sowie Netzwerken wie Klimabündnis, Klimapionierstädte, KEM und KLAR! Regionen ist ein wichtiger Hebel. Es gibt viele gute Beispiele und viel Potenzial für gegenseitiges Lernen.
 

Climate Walks - Mitmachen und Mitgestalten

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